Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

6.1 Uebersichl der polilischen Enlwimelung des Jahres 1878. 
ohne darum auf seine rechtliche Gleichstellung und thatsächliche 
Präponderanz in den gemeinsamen Angelegenheilen verzichten zu 
wollen. Da indeß eine höhere Belastung Oesterreichs zu Gunsten 
Ungarns von jenem entschieden abgelehnt wurde und in der That 
geradezu unmöglich schien, so waren beide Regierungen darauf ver- 
sallen, den Ausfall in einer Erhöhung der Schutz= oder Industrie- 
und der Finanzzölle auf Pelroleum, Cafe u. dergl. zu suchen. 
Aufangs widerstrebte zwar jenen Ungarn, diesen Oesterreich; aber 
am Ende gestanden sie beide zu und wurde der neue Ausgleich endlich 
Ein, nach zwei und einhalbjähriger Arbeit perfect. Wie dann der Ber- 
marsch liner Congreß Oesterreich-Ungarn die Occupalion und Verwaltung 
Zonnie. Vosniens und der Herzegowina übertragen und von diesem an- 
die Pargenommen wurde, ist schon angedentet worden. Die Pforte prote- 
ant, stirte zwar gegen diese neue Beraubung ziemlich energisch, allein der 
Arseern (songreß ging über ihren Protest einfach hinweg und am Ende blieb 
und die ihr nichts anderes übrig, als sich zu fügen. Selbst England hatte 
Nlem#. die Erhaltung der Integrität der Pforle vollsländig aufgegeben und 
Miihofft lediglich mehr, daß besten Falls eine wesentlich verkleinerte 
Türkei südlich des Balkaus den weiteren Uebergrissen Nußlands 
vielleicht werde widerstehen können. Oesterreich nahm das Mandat 
alsbald an: es hatle dasselbe ja selbst unler der Hand längst gesucht 
und vorbereitet. Aber Oesterreich war dabei in einer ganz andern 
Lage als Rußland. Die russische Regierung wurde in ihrem Vor- 
gehen gegen die Türkei von der russischen Nalion nicht nur unter- 
stützt, sondern war von ihr dagu förmlich gedrängt worden. Oester- 
reich dagegen sand für fein bosnisches Unternehmen wenig Ver- 
sländniß und noch weniger Beifall weder diesseits noch jenseits der 
Leitha und sie war daher in nicht geringer Verlegenheit, wie sie 
dasselbe den Delegationen plausibel machen sollte. Die einen waren 
dagegen, weil sie in der Türkei noch immer den besten Schutzwall 
gegen Rußland zu erkennen wähnten und wenigstens nicht selbst 
noch an ihrer Beraubung Theil nehmen wollten, die anderen, weil 
sie die voraussichtlichen großen Kosten der Occupation schenten und 
noch andere, weil sie die Angliederung noch weiterer flavischer Ele- 
mente von vornherein perhorrescirten. Die Regierung ihrerseits 
suchte darin in erster Linie einen Ersatz für die Verluste, welche 
das Reich in den letzten Decennien in Italien und Deutschland er- 
litten hatte, und zugleich ein Hinterland und eine Sicherung für 
Dalmatien, in zweiter Linie aber ein Gegengewicht gegen die Prä-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.