Uebersicht der polilischen Enlwichelung des Zahrro 1878. 505
ponderanz, welche Rußland südlich der Donau erworben halle und
die nothwendig schwer auf Oesterreich drücken mußte. Aber weder
das eine noch das andere konnte sie offen eingestehen und so blieb
ihr denn nur das wirklich schwache Argument übrig, daß die Pforte
doch nicht im Stande sein würde, die Ordunng in diesen Provinzen
aufrecht zu halten, was für die angrenzenden österr. Kronländer
schwere Unzukömmlichkeiten schon gehabt habe und noch haben würde.
Indeß es gelang ihr schließlich doch, die beiden Delegationen zur
Bewilligung von 60 Mill. Gulden zu bewegen und sobald der Ver-
liner Friede allseitig ratifizirt war, ertheilte sie ihren Truppen Ve-
fehl, in die beiden Provingen einzurücken. Zu diesem Zwecke hatte
sie 100,000 M. mobilisirt und den Oberbefehl dem F.3Z.M. Philip-
povich, einem geborenen Croaten, übertragen. Es schien das mehr
als genügend zu sein, da die österreichische Regierung sich der Hoff-
nung hingab, die Besetzung werde eine ganz unblutige sein. Allein
die Hoffnung erwies sich alsbald als Täufchung: die Muhamedaner
setzten sich überall zur Wehre und die Griechisch-Katholischen schlossen
sich ihnen größeren Theils an. So ging es anfänglich nicht ohne
einige sehr empfindliche Schlappen für das österreichische Militär
ab, das Land mußte sogusagen Schritt für Schritt erobert werden
und Oesterreich mußte das Expeditionscorps durch eine weitere Mo-
bilisirung bis auf ca. 150,000 Mann erhöhen, um damit fertig zu
werden. Bis um die Mitte Oktober war indeß doch so ziemlich
das gange Land in den Händen der Oesterreicher. Der Widerstand
war definitiv gebrochen: die Stärke des Occupationscorps konnle
jetzt um 60,000 Mann vermindert werden, General Philippovich
wurde seines Obercommandos enthoben, der Hergog v. Württemberg
zum Civil= und Militärgonverneur des Landes ernannt und die
Einleitung getroffen, um eine regelmäßige Verwaltung in Gang zu
bringen. Diese Aufgabe war indeß keine kleine. Das Land ist überaus
fruchtbar, aber die türkische Regierung hatte für dasfelbe bisher
nichts, gar nichts gethau: es fehlte an allem Möglichen, sogar an
nur irgend brauchbaren Wegen und Straßen für den Verkehr wie
für das Militär; es fehlte an irgend einem geordneten, gesetzlichen
Finanz= und Stenerwesen, an irgend einer Rechtspflege, die auch
nur von Ferne diesen Namen verdiente, an allen Einrichtungen für
Kirche und Schule: Alles war primitiv und rein willkürlich. Die
Türkei hatte sich begnügt, Menschenmaterial für die Armer und
Steuern daraus nach Constantinopel gu ziehen: im Uebrigen ließ