Das denlsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 21—23.) 61
der National-Liberalen der Abg. Vicepräsident Frhr. v. Stauffenberg
as Wort. Er bekämpfte zunächst die Steuergesetz Eniwürfe in ihrer jetzige
Gestalt. Bezüglich der Stempelabgabe scheint ihm der Standpunkt der Mchr-
heit der zu sein, die ganze Malerie einheitlich geregelt zu sehen; ob dies
durch den begüglichen Entwurf nun angebahnt ist, das darf wohl bezweifelt
werden. „Mir scheint es nöthig, gewisse derartige Abgaben für das Reich
und gewisse für die Einzelstaaten aufzustellen; ehe dies geschehen ist, kann
in der „Vorlage eine Anbahnung einer definitiven Lösung nicht gefunden
werden.“ Bezüglich der Tabakstener-Borlage macht Nedner der Reichsregie-
rung den Vorwuri des Experimentirens, dessen unheilvolle Folgen sich jeht
schon zeigten, wo das Tabaksteuergesetz nur erst in Aussicht genommen sei. Die
aiene, ue führten jetzt bereits ihren zwei= bis dreijährigen Bedarf ein,
und der einheimische Tabakbau werde künftig keine Räufer finden und au#er=
dem noch die Gewichts sstener zu tragen haben. Jedenfalls würden er und
seine Freunde nur für Steuervorlagen stimmen, wenn mit denselben zugleich
eine Bürgschaft für die Steuerreform gegeben werde. Tie Empfehler des
Monopols beliebten nenerdings recht vornehm und wegwerfend über das
lonstitatiguell Recht des Neichstages beziehungsweise der Matrikularbeiträge
zu urtheilen. Diese Ansicht werde aber nicht von der Mehrheit des Neichs-
tages und wohl auch nicht von den Bundesregierungen getheilt; und auch
der preußische Finanz-Minister habe im Jahre 1875 vollständig klar und
deutlich die konstitutionellen Befuguisse des Neichstages gerade an den Ma-
trikularbeiträgen exemplisicirt. Die Form werde allerdings vielleicht schwie-
rig sein, aber sie müsse gefunden werden und werde deßhalb auch gefunden
werden. Eben so scheine es mit der konstitutionellen Befugniß der Einzel-
staaten zu sein. In demselben Sinn zurs Frhr. v. Stauffenberg am ersten,
sprach am zweiten Tage Lasker. Daß das Monopol das eigentliche Ziel
der Tabaksteuer-Vorlage sei, ahält Nennon für unverlennbar und zweiselt deß-
halb an ihrer Annahme. Der Neichskanzler hube die Evenlualität der Ab-
lehnung schon ins Auge gefaßt und nur gewünscht, man möge der Regie-
rung durch eine Rejolution Weisungen für den einzuschlagenden Weg geben.
„Ich persönlich", fährt Redner fort, „bin in dem Hauptziele, das Neich in
seinen Einnahmen von den einzelnen Staaten zu emancipiren, bereit, die
ganze Länge mit dem Herrn Reichskanzler zusammenzugehen, ein Standpuntt,
den ich seit 1869 schon vertreten habe. Ich möchte für das Neich ein selb-
ständiges Finanzsystem eingeführt und nerhalb dieses das Stenerbewilli-
gungsrecht gewahrt wissen. Die Makrikularbeiträge halle ich für die Eier-
schalen auf dem Haupte des Deutschen Reichs, weil ich die selbständige
Staatsbildung erst dann erlennen werde, wenn das Reich nicht mehr von
den Ganngen für seine Existenz einzusammeln braucht. Dennoch habe
ich nicht die Hoffnung, daß die Budget-Rommission zu irgend einem Beschluß
kommen wird, und wenn es der Budget-Rommission gelingen sollte, würde
es im Hause nicht gelingen.“ Konstitutionelle Bürgschaften, namentlich auch
Reorganisalion der Reichsregierung, bilden die unaufsgebliche Vorbediugung.
Ganz dasselbe betont der letzte national-liberale Redner, Abg. Bamberger.
Derselbe beleuchtet die Schwierigkeiten der Einführung und Durchjührung
des Tabakmonopols, erklärt sich aus diesen Gründen gegen die Vorlage und
schließt mit dem Wunsche nach einem verantwortlichen Reichs-Finanz-Mini-
sterium, ohne welches mau zu teiner guten Steuerreform kommen könne. —
Die dritte der reichsfreundlichen Hauptparteien, die deutsche Fortschrikts-
artei, kam rerl am zweiten Tage zum Worte, und zwar in der Person
des Abg. Richter-Hagen. Derfelbe erklärte sich, wie immer, wiederum gegen
jede Vermehrung der indirekten Steuern im Allgemeinen und gegen das
Tabakmonopol insbesondere. Eine solche Maßregel wäre dermaßen unpo-