71 Tas deulsche Rrich und seine einzeluen Glieder. (März 12.)
Volkspartei“ (Sigl's) in München. Dieselbe ist von ca. 300 Per-
sonen aus allen Theilen des Landes besucht.
Den Vorsitz führt Frhr. v. Sazenhofen, der in seiner Eröffnungs=
ausprache hervorhebt, daß die Partei seit dem Jahre ihres Bestehens große
Fortschritte gemacht habe, wiewohl sie aufänglich ohne Freunde in der Landes-
vertretung und in der Presse gewesen sei. Biele sagten, sie könnten mit der
katholischen Bolkspartei nicht gehen wegen der G Gaitthuft welche an der
Spitze derselben stehe. Er sage, wenn der Weg gut ist, dann frägt man
nicht, wer darauf geht. Was übrigens diese Personenfrage betreffe, so con-
centrire sie sich allein auf Dr. Sigl. Die katholische Volkspartei werde den-
selben ihren Gegnern aber nie zum Opfer bringen. Aus dem Rechenschafts-
bericht ergibt sich, daß endlich der päpstliche Segen, nachdem man ein Jahr
lang gewartet, für die Partei eingetroffen sei, da wahrscheinlich mit dem
Tode Pius IX. die Hime welche dieser Segensspende entgegenstanden,
beseiligt waren. Unter den Rednern verdient Erwähnung der Herausgeber
der MWochenschrift „das Krenz“ Pfarrer I#r. Schäffle von Ramgau. Der-
selbe wirft zunälhst einen Rückblick auf die gegen die Partei erfolgten An-
griffe aus dem eigenen katholischen Lager, deren Zielscheibe hauptsächlich der
fatale Dr. Sigl, diejer Stein des Anstoßes für alle Kindsköpfe, gewesen sei.
Alle Versuche, denfelben zu beseitigen, werden aber mißlingen. (Stürmisches
Vravol) Redner erörtert dann die Geschichte und die Natur des Cultur-
kampfes und erklärt, die katholische Volkspartei wolle den Syllabus, Gott
sei nicht nur der Schöpfer des Individnums, sondern auch des Staates. Die
Kirche aber habe eine böhern Bestimmung als der Staat und es sei daher
nicht anders möglich, als daß der Staat unter der Kirche stehe. Chri-
stus habe seine Apostel in elie ganze Welt geschickt, um das Christenthum
zu predigen und wenn Christus sie selbst schickte, dann brauchten sie Nie-
mand um Erlaubniß zu fragen, sie brauchten kein Pincetum regium. All
die modernen Freiheiten, namentlich die Gewissensfreiheit und Gultusfreiheit,
hätten kein Recht zur Existenz, wenn sie sich gegen das göttliche Gesetz wen-
den. Die Gewissensfreiheit sei nach päpstlichem Ausspruch ein Wahnsinn.
Die katholische Volkspartei strebe den kalholischen Staat an, den Staat, der
die Nevolution bekämpfe. Dazu sei sie durch den Syllabus ermächtigt und
wie 1789 die Monschenrechte, so würden 1889 die Rechte Goltes proklamirt
werden. Vor den Gewatthabern in Berlin und namentlich vor Vismarck
solle man sich nicht fürchten. Sigl unterzieht das Gebahren der pa-
triolischen Partei einer e : Daß die gut katholische Sladt Mün-
chen seit 1869 einen liberalen Magistrat, daß sie Simultanschulen habe, daß
sie dem Liberalismus und dem Judenthum überantwortet sei, sei nur da-
durch möglich geworden, daß in München Semmelschmarren Trumpf gewesen
und die allerweiseste Mäßigung dort geherrscht habe. Obwohl das Volk
schwarz gewählt habe, sei doch nichts ausgerichtet worden. Redner findet
den Grund darin, daß man den katholischen Preußen zu viel getraut habe,
sowie darin, daß man immer nur die Faust im Sacke m Man führe
den Esel nur einmal aufs Eis, gewisse VLente hätten sich . zweimal da-
rauf führen lassen. Redner hält die Gegenwart für die günstigste Zeit für
die katholische Volksparkei. Redakteur Fusangel (eine Rheinpreuße) vom
„Fränk. Volksblalt“ bringt Grüße aus dem katholischen Unterfranken, wo
die Sache der katholischen Volkspartei vollständig zum Siege gelangt sei und
zwar Dank dem Elerus einerseits und dem Betragen der unterfränkischen Ab-
geordneten andererseits.
12. März. (Hessen.) Die Commission der II. Kammer für
die Angelegenheit der Civilliste bringt endlich doch mit 6 gegen 3