Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

78 Doos deuische Reich und seine rinzeinen Glieder. (März 20—23.) 
Die beiden Hauptdisfserenzpunkte bestehen darin, daß das Abg.-Haus 
die Feststellung der Amtsgerichts-Sihe und Bezirke durch Gesetz verlangt, 
während das Herrenhaus dieß löniglicher Verordnung anheimgeben will, und 
das das Abg.-Haus den § 151 ganz sreicht und damit dem Berliner Hber- 
landesgericht seinen Obertribunalscharakter entzieht, den ihm das Herrenhaus 
mit der Regierung zugestehen will. 
20. März. (Deutsches Reich.) Bundesrath: genehmigt nach 
den Ausschußanträgen eine Vorlage an den Reichslag betr. den Ver- 
kehr mit Nahrungsmitteln, welche den zahlreichen Klagen über die 
immer frechere Fälschung derselben möglichst abhelfen soll. 
22. März. (Deutsches Neich.) Der Kaiser feiert seinen 
aisten Geburtslag. Eine große Anzahl deutscher Fürsten bringen 
ihm ihre Glückwünsche perfönlich dar. 
22. Märg. (Preußen.) Es steht bereits sest, daß der Oberpräsi- 
dent von Hannover, Graf Eulenburg, das Ministerium des Innern 
übernehmen wird; die Annahme der Vicekanzlerstelle durch den Vot- 
schafter in Wien, Graf Stolberg, wird erwartet; wegen Uebernahme 
des Finanzministeriums durch den Oberbürgermeister von Verlin, 
Hrn. Hobrecht, wird unterhandelt. 
23.—28. März. (Preußen.) Abg.-Haus: Erste, zweite und 
dritte Lesung eines Nachtragscredites zum Etat für 1878.79, aus 
dem sich ergibt, daß 
1) die Verwaltung der Forsten und Domänen vom Finanzministerium 
abgepveigt und dem Ministerium der landwirthschaftlichen Angelegenheiten 
untersiellt, 2) die Eisenbahnabtheilung des Handeloministeriums in ein selb- 
ständiges preußisches Eisenbahnministerium verwandelt und 3) das Gehalt 
des Ministerpräsidenten im Velrage von 310j,000 A auf den Vicepräsidenten 
des Staatsministeriums für den Fall überkragen werden soll, daß derselbe 
kein Aeestortminister, sondern Minister ohne Portefeuille ist. (Fürst Bismarck 
hat das Gehalt als preußischer Ministerpräsident, seitdem er als Reichskangler 
vom Neiche 54,000 .#4 Jahresgehalt bezieht, nicht erhoben.) 
Fürst Bismarck und Minister Friedenthal treten sehr nach- 
drücklich für die Vorlage ein. Das Haus lehnt jedoch bei der zweiten 
Lesung die Begehren der Regierung bezüglich Punkt 1 und 2 ab, 
genehmigt nur Punkt 3 und hält trotz aller Bemühung der Negie- 
rung und ihrer Freunde seine Beschlüsse auch bei der dritten Lesung 
fest. Die nationalliberale Partei stimmt dabei nichts weniger als 
geschlossen. 
Uebersicht der Debattie: Am 23sten nimmt zuerst Miquel das 
Wort gegen die Borlage, die zu überraschend lomme und im jebigen Augen- 
blicke nicht mehr zu erledigen sei. Unaufschiebbar sei nur die Frage wegen 
des Gehalts des Minister-Vicepräsidenten; die anderen Punlte der Vorlage 
erforderten gründlichere Vorarbeiten, als jeht möglich sei. Er erklärt sich 
namentlich gegen ein Eisenbahn- Ministerium, weil die verwickelten Kompeteng= 
verhältnisse des Handeloministers eine gesehliche Regelung erforderten, wozu
	        
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