Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

80 Has deulsche Reich und seine eintelnen Glirder. (März 23.) 
seine politischen Freunde würden für alle Theile der Vorlage stimmen. 
Lasker erllärt si.y im Namen der nationalliberalen Fraltion für die Be- 
willigung des Gehaltes für den Vicepräsidenten des Ministeriums, wünsche 
aber hinsichtlich der Frage der Ressortirung der Domänen und Forsten läu- 
gere Zeit zum Ueberlegen und zu gründlicherer Vorbereilung. Gi#gen die 
Errichtung des Eisenbahn-Ministeriums wendete sich Redner mit Entschieden- 
heit. Minister Friedenthal tritt nochmals für die Vorlage ein, indem 
er geltend aulcht. daß die Vertagung der Mahnahmen, welche die Vorlage 
in Aussicht nehme, das Land schädigen würde. Fürst Bismarck nimmt 
das Wort und bemerkt zunächst nochmals, daß er der Anücht gewesen sei, 
der Landtag würde erst nach Ostern wieder zusammentreten. Das Ministe= 
rium habe sich über diese Dinge früher nicht schlüssig machen können; seine 
Krankheil habe ihn gehindert, früher bei srinen Collegen damit vor#ugehen. 
Ueberdieß halle er die Vorlage Jür eine reise Frucht, nachdem er sich Jahre 
lang damit beschäftigt habe. Darin sehe er sich geläuscht. Bezüglich der 
Ressortirung der Domäuen und Jorsten habe er den prinzipiellen Wider- 
spruch Camphausen's gekannt und deßhalb nicht eher an die Frage heran- 
treten können, als nach dessen RNücktrilt, den er, so sehr er auch dagegen an- 
gestrebt, nicht habe ändern können. Fürst Vismarck widerlegte darauf ein- 
gelne Einwände Lasker's; bezüglich der Abtrennung der Domänen und Forsten 
sei die Sache eilig, weil' der künftige Finanzminister mehr Zeil für bie Ge- 
sebgebung frei bekommen müsse, die bei uns seit zwölf Jahren ruhe und 
worin viel nachzuholen sei, was andere Länder, Frankreich, Oesterreich, selbst 
Rußland auf dem Gebiete des Zoll- Steuer= und Finanzwesens vor uns 
voraus hätlen. Er habe die Sache für so einfach gehalten, daß er geglaubt, 
dieselbe sei in wenigen Tagen zu erledigen. Er habe beschäftigte Leute nicht 
wieder nach Ostern behelligen wollen, habe also hier aus reiner Gutmüthig- 
keit geirrt und könne nur sagen, es solle nicht wieder vorkommen. Zu dem 
Plan der Schaffung des Eisenbahnministeriums hätten zunächst viele Klagen 
der Post= und Telegraphenverwallung über das jehige Verhällniß Anlaß ge- 
geben, ebeuso die Belriebsverhältnisse auf den Eisenbahnen. Er belegt dieß 
mit vielen Beispielen und verliest u. A. einen Berichl der obersten Forsl= 
verwaltung über Holztransporte, woraus er for tfährt: es bestehe gegenwärtig 
in der That eine Ueberladung mit Geschäften im Handelsministerium; die 
Abzweigung sei nothwendig. Jedenfalls müsse, wenn ein Wechsel in der Lei- 
tung des Handeleministeriums eintreten jollte, was noch nicht feststehe (Sen- 
sation), die Leitung in eine Hand gelegt werden, welche des Eisenbahnwesens 
besonders lundig sei. Windthorst (Meppen) fpricht gegen die Vorlage, be- 
sonders gegen die Schaffung des Vicepräsidenten des Ministeriums. Damit 
schliesst die erste Lesung. Nach einer Reihe persönlicher Bemerkungen und 
da Kommissionsberathung nicht beliebl wird, beginnt sofort die zweile Lesung 
an der Hand der einzelnen Ansgabeposten. Die Neuressortirung der Do- 
mänen und Forsten wird abgelehnt, ebenso das Kapitel, das Eisenbahn= 
ministerium betr., dagegen ohne Debatte das Gehalt für den Staatsminister- 
vicepräsidenten bewilligt. Am 28sten findet die dritte Lesung statt. Deren 
Resullat wird mit großer Spannung entgegengesehen, da die Regierung und 
ihre Freunde sich alle Mühe geben, die Entscheidung der zweiten Lesung we- 
nusens begüglich der Abtrennung der Forsten und Domänen vom Finanz= 
ministerium wieder umzustoßen. Es gelingt jedoch nicht. Zwar die national- 
liberale Partei spaltel sich: mindestens die Hälfte derselben tritt unter Füh- 
rung Gneist's auf Seite der Regierung. Allein die andere Hälfte, worunter 
sast alle ihre Führer mit Bennigsen, bleiben fest, ebenso die Forkschritts- 
barte und bis auf wenige Ausnahmen die Ultramontanen. Dagegen ktreten 
ie Polen dießmal auf Seite der Regierung. 
 
	        
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