264 Das druische Reich und seine riuzelnen Glieder. (Oct. 30.)
von einem Zollverein gesprochen worden, welcher zunächst Oesterreich
uns verbrüdern würde. Ob es geschieht, weiß ich nicht, aber ich weiß
und bin davon fest überzeugt, daß ein solcher Bund für beide Reiche die
segensreichsten Wirkungen hervorbringen und vielleicht allmählich auch
andere Länder des enropäischen Continents bewegen dürste, sich
diesem friedlichen Bündnisse anzuschließen. Es wäre dieß ein schöner Tag
für die Menschheit, wohl einer der schönsten, die es je gegeben hat. Die
Bölker, durch gemeinsame JIunteressen eng verknüpft, würden keine Zwietracht
mehr kennen, nicht mehr in Waffen sich gegenüberstehen, sondern ͤ hre Kräste
nur den heilbringenden Arbeiten des Friedes zuwenden. Ich linl auf die
Verwirklichung dieser Idee."“
30. October. (Preußen.) Der Kaiser gewährt dem Justiz-
minister Leonhardt die erbetene Entlassung und ernennt den Präsi-
denten des NReichsiustizamtes Friedberg zum preußischen Justiz-
minister. Es bleibt zweifelhaft, ob Hr. Friedberg in seiner bis-
herigen Stellung ersetzt oder ob er beide Stellen gleichzeitig ver-
walten und so neuerdings eine Verschmelzung von Reichsämtern
und preußischen Aemtern eintreten soll.
30. October. (Preußen.) Abg.-Haus: Präsidentenwahlen.
Für diese haben die Conservativen und das Centrum Köller (conserv.),
v. Benda (nat.-lib.) und Heereman (ultram.), die Freiconservativen
und Nationalliberalen dagegen Bennigsen, Köller und Bethusy-Huc
als Candidaten aufgestellt. Die erstere Liste siegt: Köller wird mit
218 Stimmen zum Präsidenten gewählt, Bennigsen bleibt mit 164
in der Minderheit.
Die Vorgeschichte der Präsidentenwahl wird von der freiconservativen
„Post" in folgender Weise geschildert: „Zunächst machte sich die freiconser-
vative Fraction über die Präsidentenwahl schlüssig. In der Ueberzeugung,
damit die Geschäfte des Hauses sowohl als den Zusammenfluß der gemäßigten
Elemente im conservativen wie im liberalen Lager am besten zu fördern,
beschloß sie, Herrn v. Bennigsen für die Stelle des Präsidenlen wieder auf-
zustellen, dagegen der Wahl eines Ultramontanen ins Präsidium entgegenzu-
treten, weil das Centrum nach wie vor die Unterordnung unter die Gesetze
des Landes verwirft. Auf dieser Grundlage sollte mit den nach rechts und
links zunächst stehenden Parteien verhandelt werden, jede Transaction mit
dem Centrum und der Fortichrittspartei aber ausgeschlossen sein. Dieser Vor-
schlag, durch welchen die freiconservative Fraction auf einen Platz im Präsidium
verzichtete und beide Vicepräsidenten der „großen" conservakiven Fraction
überließ, wurde am 28. Mittags den Leitern der conservativen Fraction mit-
getheil, bevor diese über die Mäsidentemorh. berathen hatte. Am folgenden
kage erfolgte die Antwort der conservativen Fraction, " sei von conserva-
liorr Seite beschlossen: 1) die Herren v. Köller, v. Benda, v. Heereman auf-
zustellen, 2) an diesen Candidaturen unbedingt sehnchallnn 3) mit anderen
Fractionen nicht zu verhandeln. Eine seltsame Illtratien erhielt diese Mit-
theilung dadurch, daß hinzugefügt wurde, die Sache sei im Uebrigen ja auch
abgemacht, da das Centrum der Liste zustimme. Bei diesem gänzlichen Mangel
an Entgegenkommen war für die freiconservative Partei jede Möglichkeit ab-