Da deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 8.—10.) 149
Versuch des Ueberlaufens danernd und fest entgegentrete. (Bravokl rechts.) —
or allem möchte ich warnen vor dem Versuch — also ich spreche von den
Einschüchterungsversuchen gegen einzelne Regierungen — vor allem möchte
ich warnen vor der Tendeuz, bei diesen Einschüchterungen zwischen den
Regierungen Unfrieden zu säen, Meine Herren, der Friede der Regie-
rungen, der feste, vertrauensvolle Friede der tegierungen unter einander, ist
der unentbehrliche Hort der Sicherheit unserer Verfassung. Glauben Sie nicht,
aß irgend ein Reichstagsrecht fester steht als ein Regierungsrecht, als die
Bundesrathsrechte, als die Rechte des Präsidiums; alles beruht, ant derselben
Bafis des Vertrags, den die Regierungen unter einander geschlossen haben,
des Bundesverlrags (sehr wahr! links) und jeder Zweifel bei einer Regie-
rung, und namenklich bei einer mächtigen Regierung, ob dieser Bundesver-
trag gehalten wird, hat seine sehr bebenklichen Nachwirkungen. Der König
von Preußen hat seine Zollrechte den Händen der Majoritätsbeschlüsse des
Bundesraths anwertraut, den Händen der Neichsgesetgebung hat er sie
nicht anvertraut; man kann ja auf ein anderes System kommen. Ich babe
es mir bisher zur Aufgabe gemacht, die Rechte der Regierungen sgfältig
zu vertreten, dieses mein Bestreben beruht aber auf der Voraussetzung der
vollsten Gegenseitigkeit in genauer Beobachtung der Verfassung. Wenn ich
mich darin känsche, so bin ich ja gar nicht abgeneigt — in der Nothwendig-
keit, vor allen Dingen für die Erhaltung der Reichsinstitutionen eine feste
Bafis zu suchen, — auch den Weg zu gehen, den die Majorität Ihrer Com-
mission vorschlägt, nämlich alles auf die Centralisation der Gesegebung
durch den Reichstag hinauszudrängen; nur kann ich das nicht in meiner
Stellung als Reichskanzler, es würde mich aber freuen, wenn mir Grund
uu dieser Art Kriegführung gegeben wird, als Mitglied der Versammlung,
ie ich vor mir zu sehen die E se habe, einen festen skamt auch für centra-
listische Politik zu kämpfen, * ich finde, daß die Regiernngen die ver-
fassungstreue, zuverlässige Stütze für unsere Einheit nicht bilden, deren wir
bedürfen. Deshalb sage ich: Sie spielen ein für das Ganze bedenkliches
Spiel, wenn Sie darauf speculiren, Unfieden zwischen den Regierungen zu
säen, wenn Sie daran Freude haben, daß die Regierungen gegen einander
stimmen. In Ulilitätsfragen mögen die Regierungen gegen einander stim-
men, so viel sie wollen, — in einer Frage über Verfassungsrechte Preußen
in die arun, Ir niringen meine Herren, das ist nicht unbedenklich.
(Heiterkeit.) — e das in vollem Bewußtsein der ganzen Geschichte,
die ich 2c) dreid alaa durchlebt habe. Aber wenn ich fage: nicht un-
bedenklich, so nehnn Sie nicht an, daß ich mich vor Bedenklichem 1
und davor zurücktrete, — jetzt so wenig wie früher. — Ich wollte noch
darauf zurückkommen, warum ich dieses Benutzen des Centrums von Seiten
solcher Parteien, die nach ihren politischen Ueberzeugungen gar nichts mit
dem Centrum gemeinsam haben, für bedenklich in ihrem eigenen Interesse
halte. Ich habe nunmehr den Kampf für die deutsche Einheit seit dreißig
Jahren geführt; es sind nahezu dreißig Jahre, daß ich am Bundestag zuerst
dafür eingetreten bin, es sind achtzehn Jahre, daß ich in einer Stellung
bin, in der ich mit einem französischen Hisloriker, den ich vor einiger Zeit
in einer schlaflosen Nacht las, wohl sagen kann — er spricht von einem
Staatsmann, dem man mehr Verdienst zuschrieb, als ich für mich in An-
spruch nahm —: „II devait succomber au poids des haines inassouvies
qui s accumulent sur la tôte do tout minisire qui reste trop longtemps
au pouvoir.“ Ich fürchte, daß ich nach achtzehn Jahren längst in dieser
Lage war, ich halte alle “ wechselnd zu bekämpfen, gegen jede hatte
ich einen heftigen Strauß zu kämpfen davon kommen „les laines in-
assouvics“, von denen der sanzosisch' Historiker spricht. Nun, ich bin nicht