196 Das beufsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 26—28.)
Uusang * abgesehen von dem Art. 4, der meistbestritlene der ganzen Vor-
l deLoinsniIIionioiirde derielbe bei der ersten Lesung abgelehnt,
bei ber zweiten in der auch jetzt wieder von Hrn. v. Rauchhaupt beantragten
Fassung angeblich angenommen (mit 11 gegen 10 Stimmen, aber die elfte
Stimme hat sich nie verificiren lassen), und in der Schlußabstimmung mit
dem ganzen Enkwurf der Commission wieder abgelehnt. Im Plenum war
das Resultat in der zweiten und drilten Berathung ein negatives. Dieser
Artikel ist nämlich in der amendirten Fassung der einzige, der dem Staats-
ministerium, cbezw. dem Cultusminister, materielle Vollmachten in die Hand
geben soll. Das Schwanken der Mehrheit ist wesentlich veranlaßt durch die
von den Conservativen verlangte Streichung der Nummer 3 der Regierungs-
vorlage, der sogenannten Jesuitenelausel, auf Grund deren auf ausländischen
(Jesuiten-) Anslalten gebildete „Geistliche von der Zulassung in Preußen
ausgeschlossen werden sollten. Der Wegfall dieser Garantie geaen eine Um-
gehung des Jesuitengeseges hat die Abneigung gegen den Art. 1 im Schoße
der nationalliberalen Fraction erheblich gesteigert. Von den (ailichene
der nationalliberalen Fraction haben zuleht 48 gegen und nur 47 für den
Art. 1 gestimmt, während gegen das ganze Geseh nach dem Wegfall des
Art. 1 nur noch 43—45 Mitglieder stimmten. Hätten die 48 Gegner des
Art. 1 auch gegen die ganze Vorlage gestimmt, so wäre das Endrefultat die
Ablehnung devoeson.
Die „Nordd. Allg. Ztg.“ stellt über das Refultat der ganzen Vorlage
Betrachtungen an, welche sich wesentlich in den vom Reichskanzler darüber
kundgegebenen Anschauungen bewegen. Von Bedentung ist vielleicht folgende
Stelle: „Wir glauben nach der staatsfeindlichen Haltung des Centrums in
dieser Discussion nicht mehr an die Möglichkeit compromittirender Verstän-
digung zwischen den Conservativen und dem Centrum. Lehteres hat mit der
Regierung, mit den Conservativen und, wie wir glauben, mit allen auf-
richtigen Anhängern der Dynastie und des Staates im Lande durch seine
Haltung der Vorlage gegenüber gebrochen, und wird in Zukunft die Maske
der Friedensliebe und der Loyalität gegen König und Vaterland nicht mehr
mit irgendwelchem Erfolge handhaben können."“
Das ganze Geseh betr. Abänderung der kirchenpolitischen
Lesetze. lautet nunmehr: „Art. 3. In den Fällen des § 24 im Geseb vom
12. Mai 1873, sowie des 8 12 im Gesetz vom 22. April 1875 ist gegen
Kirchendiener sortan auf Unfähigkeit zur Bekleidung ihres Amtes zu er-
kennen. Die Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung des Amtes hat den
Verlust des Amtseinkommens zur Folge. Ist auf Unfähigkeit zur Beklei-
dung des Amtes erkannt, so sindenn Aie Vorcchiften des Gesehe vom Mor
Mai 1874 Gesetz Semmlung S. u Geseh 1 12.
1873, sowie der §§ 13 bis 15 im r 53 #pril #i airens
Anwendung. Ark. 5. In einem Wtn Bisthum, dessen Stuhl erledigt
oder gegen dessen Bischof durch gerichtliches Urtheil auf Aufähiglein zur Be-
lleidung des Amtes erkannt worden ist, kaun die Ausübung bischöflicher
Rechte und Verrichtungen, in Gemäßheit des § 1 im Gesetz vom 20. Mai
1874, demjenigen, welcher den zi Kheikten kirchlichen Auftrag darthut,
auch ohne die im § 2 vorgeschriebene eidliche Verpflichtung durch Beschluß
des Sboakmnkristerfen gestattet werden. In gleicher Weise kann von dem
Nachweise der nach § 2 erforderlichen persönlichen Eigenschaften, mit Aus-
nahme des 3 Erfordernisses der deutschen Staatsangehörigkeit, dispensirt werden.
Art. 6. Die Einleitung einer commissarischen Vermögensverwaltung in den
Fällen des Art. 5 dieses Gesetzes sindet nur mit Ermächtigung des Staats-
ministeriums statt. Dasselbe ist auch ermächtigt, eine eingeleitete commissa-
rische Vermögensverwaltung wieder aufzuheben. Art. 8. Die Wiederaufnahme
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