Full text: Europäischer Geschichtskalender. Einundzwanzigster Jahrgang. 1880. (21)

206 VDas deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 28 30.) 
ob und in welchem Umfange der bisher vermißte unmittelbare Zusammenhang 
wischen der Reichssteuerreform und einer entsprechenden Ermäßigung der 
Steuern in den einzelnen Bundesstaaten überall hergustellen sei. Hierüber 
trotz der großen Verschiedenheiten der Finanzlage und 6# Finanzverhältnisse 
der einzelnen Staalen zu einer möglichst einhelligen Verständigung zu ge- 
langen, erschien erwünscht, um den nächsten Schritten zu weiterer Ausbildung 
des Reichssteuersystems den Boden zu ebnen. Die Verhandlungen in Coburg 
haben zu einem erwünschten Ergebniß geführt. Die in der Conferenz ver- 
treienen Regierungen haben sich einstimmig in der Entschließung vereinigt, 
die Mehreinnahmen, welche von den in der letzten Bundesraths= und Reichs- 
tagssession in Aussicht genommenen Besteuerungsgegenständen, die Zustimmung 
des Reichstags vorausgesetzt, zu erzielen sein würden, unverkürzt der Ver- 
minderung der Steuerlast in den einzelnen Staaten zu widmen und nach 
aßgabe ihrer verfassungsmäßigen Befugnisse auf deren Verwendung zu 
diesem Ziele hinzuwirken.“ 
28. Juli. (Elsaß-Lothringen.) Der Statthalter Feld- 
marschall v. Manteuffel eröffnet den neu gebildeten Staatsrath mit 
folgender Rede: 
„Ich heiße Sie herzlich willkommen. Es ist eine ernste Stunde, in 
welcher wir uns versammeln, denn mit ihr tritt die neue Verfassung des 
Landes erst vollständig ins Leben. Ich sehe mich umgeben von Männern, 
die theils durch ihren freigewählten Lebensberuf sich im Dienste des Staates 
und der Misseuschaft ausgezeichnet, theils durch ihre Geburt in Elsaß- 
Lothringen, reich an Wissen und Erfahrung, in ihrer Kenniniß von den 
Zuständen und Behikefnisen. des Landes eine hervorragende Stellung in 
diesem einnehmen. Sie alle hat das Vertrauen des Kaisers direct oder 
indirect in diesen Rath lerufen, um Allerhöchstdemselben frei und offen Ihre 
Ansichten über die wichtigsten Fragen des Slaatslebens auszusprechen. Dabei 
handelt es sich nicht um einen Sieg der Parteien, nicht um ein Durchseten 
subjectiver Meinungen und Theorien. Die rein objective Beurtheilung 
vorliegenden Fragen ist die Aufgabe, die Förderung des materiellen und 
geistigen Wohles des Landes das alleinige Ziel. Sie wissen, daß ich die letz- 
ten Monde meines Lebens daransefe, Ellsus- Lothringen die volle Selbstän- 
digkeit im Reiche zu erringen. Von entscheidender Bedeutung ist hierbei die 
Thätigkeit, die der Staatsrath entwickelt. Die gesammte Beurtheilung über 
alle Verhältnisse, Maßhalten und die volle Anerkennung der Thatsachen sind 
nothwendig, damit die Berathungen des Staatsrath dazu dienen, das Ber- 
trauen Sr. Maj, des Kaisers zum Lande mehr und mehr zu befestigen und 
dafür Bahn zu brechen, daß die Vermehrung der politischen Rechte des 
Landes identisch wird mit dem Intereise des Reiches selbst. Unterstüten Sie 
mich in meinem Streben. Ich biilte Sie recht aus meines Herzens Grund 
darum, und so ruhe Gottes Segen auf unseren Arbeiten!“ 
29. Juli. (Bayern.) II. Kammer: genehmigt den Gesetz- 
enkwurf betr. Aufhebung des veralteten, aber noch immer bestehen- 
den sog. Reujahrgeldes der Israeliten mit 76 gegen 66 (clericale) 
Stimmen. 
30. Juli. (Bayern.) Beide Kammern genehmigen einstim- 
mig Huldigungsadressen an den König gelegentlich der im folgenden 
Monat bevorstehenden Wittelsbacher Jubiläumsfeier. 
  
  
 
	        
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