220 Pas deuische Reich und seine einzeluen Glieder. (Sept. 15—19.)
klerus, sowie auf die heroische Opferwilligkeit so vieler französischer Laien,
welche lieber hohe Siellungen ufsnben, als daß sie ihrer kirchlichen Ueber-
zeugung zuwider gehandelt hätten.
15. September. (Deutsches Reich und Preußen.) Herr
v. Bötticher, bisher Oberpräsident von Schleswig-Holstein wird zum
Präsidenten des Reichsamts des Innern an Hofmanns Stelle er-
nannt und zugleich zum preußischen Minister ohne Portefeuille.
Dagegen übernimmt der Reichskanzler das von Hofmann bisher
gleichfalls bekleidete preußische Handelsministerium definitiv selbst.
Die offic. Prov.-Corr. bemerkt dazu: „Für Jeden, welcher die ganze
Politik des Reichskanzlers in den letzten Jahren aufmerksam verfolgte, kann
es keinem Zweifel unterliegen. daß die Uebernahme des Handelsministeriums
durch ihn nur ein Glied in der Kette der wirthschaftlichen Reform ist, welche
der Fürst vor 2 Jahren im Gegensatze zu manchen von alten Vorurtheilen
und veralteten Lehrmeinungen irrcheleiteien Parteigruppen, dann aber unter
lebendiger Theilnahme weiter Kreise der Beböllerung ins Werk se b- und
mit der Aenderung der Zollpolitik einleitete.. Durch die Uebernahme des
Handelzministeriums drückte der Neichskanzler den Entschluß aus, die Re-
form, die auf der einen Seite begonnen, auch von der anderen in Angrif
zu nhmen, und diejenigen Vorschläge selbst vorzubereiten, welche geeignet
sind, die Lage der Arbeiter zu verbessern und die Wohlfahrt des Gewerbes
auf eine sichere moralische Grundlage zu stellen. Es ist die Consequenz eines
zielbewußten, wohlberechneten Planes, dessen Durchführung im Interesse der
Gesammtheit unaufschiebbar ist und zu dessen Verwirklichung er auf die
Mitwirkung aller positiv denkenden und slaatserhaltenden Parteien rechnet.
Wenn die Behandlung auch dieser Frage nicht nach den Auffassungen und
Geboten bloßer Lehrmeinungen. sondern vor Allem nach den Anforderungen
der thalsächlichen Lage der Dinge und nach den wirklichen Bedürfnissen und
practischen Interessen des Volkes gestaltet wird, wenn ihm in diesem Sinne
die parlamentarische Unterslübung zu Theil wird, dann dürfte auch ungeachtet
der vielbestrittenen Möglichkeit des Erfolges das Gelingen nicht fehlen.“
17. September. (Deutsches Reich.) Der Reichskanzler er-
klärt in einem Erlaß an das Präsidium der Handels= und Gewerbe-
kammer Plauen, daß er entschlossen sei, die Errichtung eines Volks-
wirthschaftsrathes behufs Vorprüfung wirthschaftlicher Geseyentwürfe
zunächst für Preußen zu veranlassen.
Der Plan findet bei den Gegnern der Stener= und Wirthschaftspolitik
des Reichskanzlers wenig Anklang, selbst bei den gemäßigtesten desselben,
indem sie meinen: „Nach den in Frankreich gemachten Erfahrungen kann
man annehmen, daß es sich immer nur um eine Einrichtung von scheinbarer
Autorität handeln würde, die ganz von der Regierung abhängig ist, die
man aber jeder Zeit gegen die legale Vertretung der volkswirthschaftlichen
Interessen, den Landtag oder Reichstag in Scene sieten könnte. Mit einer
solchen Maschine in der Hand wird man jeden Beschluß der Voltsvertretung
leicht als laienhaft und unsachlich verschreien können.“ Auch die Einzel-
staaten bringen dem Plan nur wenig Neigung und Vertrauen zutgehen, und
ebendarum soll er zunächst auf Preußen beschränkt werden.
19. September. (Deutsches Reich.) Parteitag der National-
liberalen der Provinz Hannover. Hr. v. Bennigsen spricht sich auf