308 Die Oesterreichisch-Angarische Monarcie. (Juni 26— Auf. Juli.)
zu Gunsten der deutschen und Verfassungspartei aus. Die feudal
gesinnten Mitglieder der Gruppe haben sich der Wahl enthalten,
da sie die Stimmung der Mehrheit voraussehen konnten.
26. Juni. (Oesterreich: Böhmen.) Landtag: lehnt die
Wahlreformvorlage der Regierung mit 135 gegen 79 Stimmen ab
und zwar ohne in die Specialdebatte derfelben einzutreten.
Für die Mehrheit der Commission und für Ablehnung referirt Herbst,
für die Minderheit und für Eintreten in die Specialdebatte Rieger. Für
Annahme der Vorlage, so wie sie ist, ist auch er nicht, nur für eine Reform
im Sinne der Czechen. In der Commission hatte er die Vorlage verfochten,
indem er versicherte, daß er in die Absichten der Regierung eingeweiht sei.
Dort hatte er auch offen gestanden, es sei die Tendenz der Vorlage, den
Czechen die Majorität auszuliefern, und hinzugefügt, das Unrecht, unter
welchem er die bestehende Wahlordnung versteht, müsse, wenn nöthig, durch
ein Octroi oder durch eine Revolntion beseitigt werden. Die
deutsche Partei läßt sich jedoch dadurch nicht schrecken.
27. Juni. (Oesterreich.) Die verbündeten Parteien der
Rechten haben wenigstens einen theilweisen Sieg errungen: nicht nur
der Finanzminister Kriegsan, sondern auch die mehr oder weniger
liberal und deutsch gesinnten Minister Stremayr, Horst und Korb-
Weidenheim erhalten ihre Entlassung und werden durch den Polen
Dunajewski als Finanzminister, v. Kremer als Handelsminister,
Baron Streit als Justizminister und General Graf Welserhaimb
als Kriegsminister ersetzt. Die Ernennung Dunajewski's ist charac-
teristisch und bedentsam, die drei anderen sind politisch ziemlich in-
different. Im Cabinet ist nunmehr kein einziges liberal und deutsch
gesinntes Mitglied mehr: dasselbe geht mehr und mehr in der
Rechten auf.
28. Juni. (Oesterreich-Serbien.) Fürst Milan von Ser-
bien besucht Wien und den österreichischen Kaiserhof.
— Juni. (Bosnien.) Der gemeinsame Ministerrath be-
schließt auf den Antrag des Kriegsministers die Herstellung der
Bahnlinie von Zenitza bis Serajewo zugleich aus militärischen
Gründen und im Interesse der neuen Provinzen.
Anfang Juli. (DOesterreich.) Die deutschen Oesterreicher
haben, um nicht überall da, wo sie in der Minderheit sind, von
der flavischen Hochfluth überschvemmt und nach und nach ausge-
sogen zu werden, vor einiger Zeit einen „deulschen Schulverein“
gebildet, der seinen Centralsitz in Wien hat, aber sich in zahlreichen
Zweigvereinen bereits über ganz Oesterreich ausgebreiket hat, und
der dazu bestimmt ist, die überall zerstreuten, vereinzelten deutschen
Colonien und Elemente der deutschen Nationalität zu erhalten.