Die Geslerreichisch-Angarische Monarchir. (Hel. 7.) 317
halten will. Die Regierung ist der Ueberzeugung, daß den Nationalitäten
unter dem früheren Cabinet Unrecht geschehen ist, und sieht in der Sühnung
dieses Unrcchtes nicht nur ihre Ausgabe, sondern auch eine österreichische
Mission. Die Regierung ist aber auch überzeugt, daß in demselben Maße,
als die Sprache und Likeratur, das ganze eigenthümliche und berechtigte
Wesen der einzelnen Nationalitäten geschont wird, sie selbst zur Einsicht ge-
langen dürften, daßz Eine Sprache als politisches und administratives Binde-
mittel erforderlich ist, und diese Sprache keine andere sein könne, als die
deutsche. Die officielle Erklärung der deutschen Sprache als Neichssprache
würde aber im jetzigen Angenblicke wenigstens in den Nationalitäten das
Gefühl einer Zurücksehung und Erbitterung erzeugen und sich überhaupt
wahrscheinlich gewaltsam nie erreichen lassen, was als Product der natürlichen
Nothwendigkeit sich später von selbst ergeben wird. Gegen die Zumuthung,
als ob es die Deutschen im Reiche verkürzen wolle, verwahrt sich das Ca-
binet, dessen Mitglieder der Mehrgahl nach selbst der deutschen Nationalität
angehören, auf das entschiedenste, und fordert insbesondere der Minister-
Präsident die Workführer der deutsch-liberalen Parkei auf, ihm auch nur
Einen Fall namhaft zu machen, in dem er die nationalen Interessen des
deutschen Volkes geschädigt, das Princip der Gleichberechtigung zu Ungunsten
er Deutschen verleht hätte. So weit die Regierung nun davon entfernt ist,
die Berechtigung einer nationalen Hegemonie in Oesterreich anzuerkemeen, so
entschieden muß sie sich gegen die Annahme verwahren, als beabsichtige sie
an einzelne Länder und Bölker Concessionen zu machen, welche eine Lockerung
der Neichseinheit involviren würden; sie protestirt dagegen, daß Ansichten,
wie ie insbesondere in einem Theile der Prager Presse tradirt werden, mit
hrigen verwechselt werden. Wenn Graf Taaffe zu allem Aufange den
Lih sofort auch nur so viel zugestanden Hälie als er ihnen später zuge-
stehen konnte, so wäre er wohl längst nicht im Amte und ein deutsch-liberales
Regime wieder an der Tagesordnung. — Der Regierung wurde der Vor-
wurf gemacht, daß sie in der letzten Zeit zu energischen Maßregeln griff.
Sie hält sich indeß nur an die Gesetze und übt die Gesetze aus, daß sie ja
nicht selbst gemacht, die aber zu benühen ihr Niemand verwehren kann. Sie
glaubt, der Augenblick sei gekommen, wo sie ihre Autorität zeigen muß. da
sie sich schon mit Rücksicht auf die allerhöchste Person Sr. Majestät des
Kaisers verpflichtet sieht, ihre Autorität zu wahren. Die Regierung wird
auch eine freie Discussion nicht hindern und erkennt das Recht der Presse
an, öffentliche Maßnahmen zu kritisiren. — Von vielen Seiten wird der
Negierung der Vorwurf gemacht, daß ihre Politik nichtn mit der des Ministers
der auswärtigen Angelegenheiten im Einklange steht. Die Regierung glaubt
sich indeß zu der Erklärung berechtigt, der äußeren Politik des Reiches, in-
soweit als es in ihrer Competengbefugniß liegt, in Allem und Jedem Rech-
nung zu tragen, und sie glaubt eben, durch ihre Haltung auch die dieser
Politik widerstrebenden Nationalitäten für dor zu gewinnen und im Falle
der Nothwendigkeit Oesterreich zu jeder auswärtigen Action fähig zu machen.
Inwieweit die frühere Verfassungspartei für die äußere Politik Verständniß
gehabt, das zu beurkheilen wird Niemand besser in der Lage sein, als Gra
Julius Andrassy. — Zum Schlusse muß nochmals betont werden, dahb die
Regierung sich nicht als Partei-Regierung gerirt, daß sie aber im Augen-
licke, wo die gegenwärtige Majorität in irgend einem wesentlichen Punkte
einen Beschluß fassen würde, der ihrer (der Regierung) Ueberzeugung und
ihrem Programme widerstreitet, wisen werde, was ihre Pflicht sich selbst wie
insbesondere dem Staate und dem Kaiser gegenüber ihr gebiete, und daß sie
sich diesem Gebote unterwerfen werde.“
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