Großbriltannien. (Juli 8.) 357
Im Jahre 1870 war von der damaligen liberalen Regierung ein
irisches Agrargesetz mit den sog. Bright'ichen Clanseln erlassen worden. Durch
dasselbe wurde ein gewisses Aurecht des irischen Landvolkes auf den Boden,
auf welchem es wohnt, anerkannt. So lange der Pächter seine Rente regel-
mäßig bezahlte, hatte der Gutsherr nicht das Recht, denselben zu entlassen,
o wünschenswerth ihm auch aus wirthschaftlichen Gründen eine Aenderung
ein mochte. Ja noch mehr, dem Pächter war sogar das Recht und die
Möglichkeit verliehen, seinen Hof zu kaufen, und es war eine Art Staats-
Rentenbank gegründet worden, welche die Ratenzahlungen vermittelt und die
Entrichtung des Kaufschillings erleichtert. Als im verflossenen Winter in
Folge der Mißernte und der steigenden Getreidepreise die Noth in Irland
herannahte und die Agitation auf Verweigerung der Pachtrenten-Zahlung
begann, hatte John Bright sogar öffentlich den Vorschlag gemacht, noch
einen Schrikt weiter zu gehen und einen Staatsfonds zu gründen, aus wel-
chem denjenigen irischen Pächtern Vorschüsse gegeben werden sollten, welche
im Falle der Feilbietung ihrer Höfe geneigt sein sollten, dieselben selbst au-
zukaufen. Zieier Vorschlag fand damals keinen Anklang, weil er sehr weit-
gehend war und doch für die drohende Gefahr keine unmittelbare Abhilfe
Paste. Abgesehen von der thatsächlich eingetretenen Noth, deren Spitze durch
ein provisorisches Geseh abgebrochen wurde, welches die Kirchengüter-Verwal-
tungen zu Unterstützungen ermächtigte und anwies, ist der Hauptübelstand,
welcher gegenwärtig in Irland herrscht, der, daß viele Grundherren, erbittert
durch die Agitation auf Verweigerung der Rentenzahlung, diese Thatsache
der Rentenverweigerung als das einzige gesetzliche Mittel benühen, um sich
aller der Pächter zu entledigen, mit denen sie. aus einem wirthschaftlichen
oder persönlichen Grunde unzufrieden sind. Die Folge war, daß, während
die Zahl der von den Höfen getriebenen Pächter nach dem Agrargesehe von
1870 auf ungefähr 500 jährlich unter rund 600,000 Pachtstellen, die es in
Irland gibt, gesunken war, diese Erxmitlirungen in dem mit 1. April 1880
beendigten Geschäftsjahre auf mehr als 1000 gestiegen sind und, wenn es so
fortgeht, im laufenden Jahre bis zu 2000 Fällen sich erheben werden. Dieser
unliebsamen Erscheinung nun soll Forster's Bill ein Ziel setzen, indem darin
vorgeschlagen wird, die Grundeigenthümer gesehlich noch weiter in der Ver-
fügung über ihr Eigenthum einzuschränken. Der Grundherr, welcher einen
Pächter wegen Nichtzahlung der Rente austreiben will, soll vorher den Be-
weis liefern. daß derselbe im Stande ist, zu zahlen. Vertreibt er ihn, ohne
sich an diese Bedingung zu halten, so soll ihm eine Geldbuße bis zum
zwanzigfachen Betrage des Pachtschillings Frichtich auferlegt werden können.
Dieser Gesehworsch ag stößt auf großen Widerstand sowohl innerhalb wie
außerhalb des Kerlamentes nicht bloß von Seite der Conservativen, sondern
auch bei einem Theile der liberalen Partei. Dasselbe befricdigt weder die
eine noch die andere der betheiligten Classen. Obwohl das Gesetz nur eine
prob ssorüche Wirkung haben und nur bis Ende 1881 dauern soll, so wird
es doch von den Grundherren als ein unberechtigter Eingriff in ihr Eigen-
thumsrecht angesehn und wenn er auch im Unterhause, wie wahrscheinlich,
durch alle Stadien durchgeht, so ist es doch mehr als zweifelhaft, ob dasselbe
die Genehmigung auch von Seite des Oberhaufes finden wird.
8. Juli. Unterhaus: beschließt mit 255 gegen 199 Stim-
men, in die Specialberathung der irischen Pächterbill einzutreten.
Das Stimmverhältniß zeigt deutlich, daß ein nicht unerheblicher
Theil der herrschenden Partei mit der Forster'schen Bill nicht ein-
verstanden ist.