Krankreich. (Jan. 22—23.) 371
Thür der Mairie angeschlagen: im weiteren Rückjalle wird er vor den
Friedensrichter gestellt und wegen Uebertretung bestraft. Auf Ansuchen der
Eltern kann die Schulcommission Dispense vom Schulbesuch bis auf zwei
Monate ertheilen, auf mehr als vierzehn Tage jedoch nur mit Zustimmung
des Schulinspectors. Ferner kann sie mit Zustimmung des Departemental-
ralhs Kinder, welche auf dem Felde oder in Fabriken beschäftigt sind, vom
Morgen= oder vom Nachmittagsbesuche der Schule entbinden. Die in der
Familie erzogenen Kinder werden in Zeiträumen und nach Programmen,
die ein Ministerialerlaß näher bestimmen wird, öffentlich geprüft. Wenn
sich herausstellt, daß sie zu Hause keinen Unterricht genossen haben, werden
die Eltern und Vormünder wie oben bestrasft.“
22. Jannar. Kammer: Louis Blanc beantragt den Erlaß
einer vollständigen Amnestie für die Communards. Die Dringlich-
keit wird bewilligt.
23. Janunar —2. Februar. Senat: Debatte über die Regie-
rungsvorlage betr. Umgestaltung des obersten Unterrichtsrathes. Die
Clericalen bekämpfen die Vorlage heftig, aber ebenso auch eine An-
zahl unabhängiger Liberaler, wie Jules Simon und Laboulaye, im
Sinne größerer Freiheit des sog. freien Unterrichts (der Kirche und
der Congregationen). Schließlich wird aber das, von Barthôlemy
St. Hilaire und dem Minister Ferry energisch vertheidigte, Gesetz
im Sinne der Regierung angenommen, freilich in mehreren Puncten
nur mit geringer Majorität.
Das neue Gesep beseitigt die Gesehe von 1850 und 1873, durch welche
die Nechte und der Einfluß des Staats auf das Unterrichtswesen wesentlich
beschränkt worden waren, indem durch dieselben auf der einen Seite der
Kirche und den Congregalionen volle Freiheit für die Errichtung neuer An-
stalten und die Wahl der Methoden mit einem gang illusorischen Aufsichts-
rechte des Staats gewährt, auf der andern die Universität so viel wie mög-
lich unter die Aussicht der Kirche gestellt worden war. Dieß war durch die
Zusammensetzung des obersten Unterrichtsrathes erreicht worden, indem neben
einer Anzahl von Fachmännern Erzbischöfe und Bischöfe, Vertreter der
obersten Gerichtshöfe und sogar solche der Armee saßen und die Mehrheit
hatten. Alle diese Bischöfe 2c. nun werden durch das neue Gesetz aus dem
obersten Unterrichtsrathe wieder entfernt und derselbe ausschließlich aus Fach-
männern zusammengesetzt. In der Debatte erklärt der Unterrichtsminister
Ferry: „Das Geseb von 1850 hat einen dem Staatsunterrichte geradezu
seindlichen Zustand geschaffen; man versuchte, die oberste Leitung des Schul-
wesens ganz und gar der Kirche in die Hand zu spielen“ und beruft sich
hiefür auf eine ihrerzeit schon viel erwähnte „geheime Druckschrift“, welche
das Wappen des Pariser Erzbisthums trägt und vom Paypste bestätigt, jedoch
nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt worden ist. Darin wird gesagt, daß
man den früheren Unterrichtsrath, in welchem die Vertreter der Universität
in der Mehrheit waren, glücklich beseitigt habe und vorerst in der eigent-
lichen Aufgabe, der Vernichtung des Staatsunterrichts, nicht weiter habe
gehen können, daß aber der Klerus allein berusen sei, den Primar= und
Mittelunterricht zu reformiren. „Diese Schrift, fährt Ferry fort, ist un-
zweifelhaft das Werk des Herrn v. Falloux und des Bischofs Dupanlonp;
sie ist eine offene Kriegserklärung an den modernen confessionslosen Staat;
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