Frankreich. (März 22— April 4.) 379
der Schüler in den geistlichen Schulen der nicht antorisirten Congregationen
seit 1865 von 9475 auf 19,961, und die Jefuiten participiren hiebei mit
9131 Schülern.
22. März. Kammer und Senat vertagen sich über Ostern
bis zum 20. April.
29. März. Die Regierung führt die Drohung Freycinet's
im Senat aus und entspricht dem ausdrücklichen Verlangen der
Kammer: Zwei Decrete des Präsidenten der Republik verordnen
die Auflösung aller Jesuitenanstalten binnen 3 Monaten und gibt
allen anderen bisher vom Staate nicht anerkannten Congregationen
eine Frist von 3 Monaten, binnen welcher diese die Anerkennung
nachzusuchen haben, widrigenfalls sie gleichfalls dem Gesetze verfallen.
Die republicanischen Blätter find hoch befriedigt, die clericalen und
legitimistischen dagegen außer sich über den „Staatsstreich“, wie sie die De-
rrete nennen. Der Minister Lepere berichtet dem Ministerrath, daß er Wei-
sungen an die Präfecten erlassen habe, nicht zu dulden, daß in den General=
räthen die Clericalen Proteste gegen die Derrete beschließen; in Fällen wider-
seblicher Beschlüsse hätten sie sofort die betreffenden Generakräthe aufgulösen.
Zugleich erhält der französische Botschafler beim Vatican, Desprez, Befehl,
zu erklären, daß die Regierung nicht über die Berechtigungen des Concor=
dats hinausgehen werde, aber nicht für die Folgen einstehe, welche sich aus
irgend welcher Ermuthigung zum Widerstande der Ordensgemeinschaften er-
geben könnten; sollte durch irgend einen Zwischenfll das Concordat ver-
assen werden, so werde Frankreich kein neues schließen.
31. März. Der neue französische Botschafter beim Vatican,
Desprez, übergibt dem Papst seine Creditive. Leo XlIII. ist dabei
vom ganzen päpstlichen Hofe umgeben; seit 20 Jahren ward kein
solcher Pomp bei Empfang eines neuen Botschafters entfallet. Der
Papst antwortet auf die Anrede des Votschafters:
„Die Kirche, welche immer das Heil der Seelen sucht, hat keinen
heiheren' Wunsch, als den, den Frieden und die Eintracht mit denen zu be-
wahren, welche die Staatsangelegenheilen leiten, sowie unter den Böllern.
Man ändert die Kirche nie. Debhalb wehklagen wir auch, zu erfahren, daß
man gewisse Maßregeln gegen gewisse religiöse D#rdensgesellichaften ergreifen
will. In den Augen des heiligen Sluhles haben die Ordensgefellschaften
den nämlichen Werth, und unser Herz würde einen tiefen Schmerz empfinden,
wenn wir sie der Feindseligkeit der Gewalt preisgegeben sähen und wir ge-
nöthigt wären, unsere Stimme zu ihren Gunsten zu erheben.“
4. April. Der Minister des Innern richtet ein Rundschreiben
an die Präfecten, in dem die Regierung auf die Einwendungen und
Kritiken antwortet, welche gegen die Märzdeereie erhoben worden
sind und in denen sie namentlich beschuldigt wird, den Rechten der
katholischen Kirche zu nahe zu treten und eine Classe von Bürgern
zu verfolgen:
Die Rechte der Kirche, enkgegnet die Regierung, beruhen auf dem
Concordat und 1 organischen Decreten; in beiden sei die Existenz geist-