Da deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 12— 13.) 39
— Januar. (Preußen.) Die Regierung schließt mit drei
der kurhessischen Agnaten einen Vergleichsvertrag bezüglich des kur-
bessischen Familienfideicommißvermögens ab, der demnächst in Berlin
ratificirt werden soll.
Der wesentlichste Punct der Stipulation geht dahin: den drei Agnaten
wird für die Vergangenheit, d. h. für die Zeit vom Tode des lehten Kur-
fürsten bis zum Beginn dieses Jahres, nichls gewährt. Dagegen erhalten
dieselben ab 1880 eine jährliche Rente von je 75.000 /4, welche Summe so
lange zu bezahlen ist, bis die betreffende Linie ausstirbt und somit vertrags-
mäßig der preußische Staat Erbe des fideicommissarisch anzulegenden, zur
Bestreitung dieser Ausgaben erforderlichen Kapitalstocks wird.
12. Jannar. (Preußen.) Abg.-Haus: Die Regierung ver-
langt für die Canalisirung des Mains von Frankfurt bis zum Rhein
als erste Rate einen Nachtragscredit von 800,000 #
12. Januar. (Bayern.) II. Kammer: Fortsetzung der Be-
rathung des Cultusbudgets: die ultramontane Mehrheit lehnt den
von der Regierung für die bevorstehende 300jährige Jubiläumsfeier
der Universität Würzburg geforderten Credit von 20,000 4 und
ebenso die vom Abg. Herz auf 10,000 ermäßigte Summe nach
einer ziemlich heftigen Debatte ab.
13—15. Jannar. (Preußen.) Abg.-Haus: Erste Lesung der
Gesetzesvorlagen betr. Fortführung der Verwaltungsreform. Die-
selben werden nach dreitägiger gründlicher, oft sehr lebhafter Ver-
handlung einer Commission von 21 Mitgliedern überwiesen. Eine
Verständigung der Mehrheit mit der Regierung ist trotz des Wider-
spruchs der Fortschrittspartei und der Mißtrauenserklärungen des
Centrums wahrscheinlich.
Nur ein Punct erregt Bedenken. Wie bekannt, besitzen sechs Pro-
vinzen noch keine Kreis= und Provinzialordnung des neuen Systems und
eben so noch keine Verwaltungsgerichtsbarkeit. Da es factisch unmöglich
war, den ganzen Stoff in einer Session zu bewältigen, so hatte die Staats-
regierung sich dahin entschieden, in diesem Jahre die in dem neuen System
erforderliche Umbildung der Staatsbehörden und die Einrichtung der Ver-
waltungsgerichte für alle Provinzen einzubringen und dann im nächsten
Winter die Kreis= und Provinzialordnungen für die sechs damit noch nicht
ausgestatteten Provinzen vorzulegen. Bis dahin sollten dort die Staats-
behörden fortfahren, die Functionen der künftigen Selbstverwaltungsorgane
auszuüben. Hiergegen aber erhebt sich Widerspruch von allen Seiten. Man
meint, auch über die Organisation der Staatsbehörden könne man nicht eher
Beschluß fassen, als bis der Inhalt der neuen Kreisordnung feststehe. Wenn
man heute dem Ministerium, so wird ausgeführt, die verstärkten Befugnisse
der Regierungspräsidenten bewillige, verliere dasselbe das Interesse an der
Ertheilung der sechs neuen Kreisordnungen und man laufe Gefahr, daß
diese liegen blieben wie bisher. So macht sich die Forderung geltend, die
jetzigen Vorlagen zur Zeit nur für die fünf alten Provinzen zu genehmigen
und ihre Wirksamkeit in den fechs andern auf den Zeitpunct des Erlasses