422 Die Schweiz. (Jan. 18—31.)
Das Organisationsgeseh, über den katholischen Cultus vom Jahre
1873 verlangte bei Wahlen und Abstimmungen die Betheiligung des vierten
Theils der eingeschriebenen Wähler der Kirchgemeinde. Das geflisfentliche
Wegbleiben der Römischkatholischen von jedem Wahlacte machte es nun in
mancher Gemeinde den Fhrintakholiten unmöglich, sich zu constituiren und
die Mitbenützung der Kirche auszuwirken. Das Gesetz Neverchon hob dieses
Quorum auf. Jeht wird es wieder beseitigt und damit den Nömischkatho-
lischen neuerdings freie Hand gegen die Alkkatholiken gegeben.
18—20. Januar. (Graubünden.) Großer Rath: Berathung
des Art. 11 (Kirchenartikel) des neuen Verfassungsentwurfs.
Der Entwurf der Standescommission ist im Sinne der Staatshoheit
gehallen und wird schließlich mit geringen Modificationen auch angenommen:
Die bisherigen. Landeskirchen werden als öffentliche Religionsgenosfsenschaften
anerkannt. Die Bildung neuer Religionsgenossenschaften ist zulässig, soweit
dieselben sich nicht gegen die öffentliche Ordnung und Sittlichkeit verstoßen,
und kann vom Staat mit Rücksicht auf diese Momente von denselben die
Einsicht in ihre Grundbestimmungen verlangt werden. Die Religionsgenossen-
schaften ordnen und regeln ihre inneren Verhältuisse und verwalten, eben-
falls selbständig, ihr Vermögen, immerhin das Aufsichtsrecht des Staates,
namentlich mit Bezugnahme auf die Vermögensverwaltung, vorbehalten. Eine
längere Discussion verursacht besonders der Passus bezüglich des Collatur-
rechles (den Kirchengemeinden sleht das Recht zu, ihre Geistlichen zu wählen
und zu entlassen), das von jüngern ullramontanen Rednern bekänmsrt, aber
von ältern conservativen Katholiken kräftig in Schutz genommen wird. Libe-
rale und föderalistische Redner befürworten dieses Recht ebenfalls. Die Ab-
stimmung ergibt ein bedeutendes Mehr (46 von 72 Stimmen) für die Vor-
age der Standescommission, alle. für die Betomung des Collaturrechtes in
der Verfassung. Das Lemma 6 des Art. 11 (das bisherige Eigenthumsrecht
der Gemeinden am betreffenden Pfründ- m Kirchengut ist gewährleistet.
Allfällige Veränderungen der Zweckbestimmung von Süfstungeut, unterliegen
der staatlichen Genehmigung) wird. weil selbstverständlich, mit 28 gegen 20
Stimmen gestrichen. Die Debatte dreht sich dann noch hartnäckig um das
letzte Lemma Gerniüber den batte breoh umd religiösen Corporationen bleiben
alle bisherigen staaklichen Hoheitsrechte vorbehalten), welches schließlich mit
43 gegen 21 Stimmen nach einem Antrag von Peterelli im Sinne und
Geiste des Art. 50 der Bundesverfassung modificirt wird.
25. Januar. (Tessin.) Das neue Niformino (Verfassungs-
decret bezüglich Wahlrecht) wird in allgemeiner Volksabstimmung
mit 13,158 (ultram.) gegen 8348 (lib.) Stimmen angenommen.
31. Jannar. (Appenzell J. Rh.) Großer Rath: erklärt
sich mit 23 gegen 20 Stimmen für Wiedereinführung der Todesstrafe.
— Jannar. Die Frage einer Landesbefestigung gegen eine
Ueberrumpelung von Seite Frankreichs oder Deutschlands findet in
den schweizerischen militärischen Kreisen eine immer lebhaftere Be-
fprechung. Eine in Thun abgehaltene Offiziersversammlung faßt
darüber eine Reihe dringender Refsolutionen.
— Jannar. Uebereinkunft mit Oesterreich bezüglich der Arl-
bergbahn (s. Oesterreich).