Full text: Europäischer Geschichtskalender. Einundzwanzigster Jahrgang. 1880. (21)

426 DTie Schweiz. (Ende Mai — Juli 4.) 
— Mai. Der Bundesrath beschließt, auf den Erlaß eines 
eidgenössischen Schulgesetzes vorerst zu verzichten und der demnächst 
zusammentretenden Bundesversammlung ein folches nicht vorzulegen, 
da der Art. 27 der Bundesverfassung etwas unbestimmt lautet und 
die Verhältnisse in den Cantouen noch zu unabgeklärt liegen. 
2. Juni. (Graubünden.) Die neue Verfassung wird vom 
Volke in allgemeiner Abstimmung mit einer unerwartet großen 
Mehrheit ohne Agitation und ohne schroffe Partkeiausscheidung, je- 
doch ohne starke Betheiligung an der Abstimmung definitiv ange- 
nommen. Das politische Schwergewicht wird durch dieselbe aus 
dem Großen Nathe wesentlich in den Schooß des Volkes selbst 
hinausverlegt. 
9. Juni. Nationalrath: Gelegentlich des Berichts des Bundes- 
rathes über feine Geschäftsführung im Jahre 1879 wird demselben 
die Mahnung ertheilt, „ein wachsames Auge auf die allfällige Ein- 
wanderung von Jesuiten aus Frankreich zu haben, die bei den 
Maßnahmen der dortigen Regierung beabsichtigt werden könnte.“ 
Der Ständerath tritt dem Beschlusse bei. 
10. Juni. Ständerath: beginnt die Berathung des Entwurfs 
eines gemeinsamen Obligations= und Handelsrechts für die ganze 
Schweiz. 
20. Juni. Nationalrath: ertheilt dem neuen tessinischen Wahl- 
gesetz (Riformino) nur in dem Sinne die RNatification, daß nach 
Art. 4 der Bundesverfassung die tessinischen Angehörigen an ihrem 
Wohnorke zu zählen seien und auch dort ihr Stimmrecht auszuüben 
haben. 
20. Juni. (Genf.) Ein Manifest des protestantischen Con- 
sistoriums fordert die Bürger dringend auf, die Nationalkirche „diese 
ruhmvolle Tochter der Reformation, das Hauptbollwerk unserer 
Nationalilät“ zu schützen und die vom Großen Rath beschlossene 
Treunung von Staat und Kirche bei der allgemeinen Volksabstim- 
mung am 4. Juli zu verwerfen. 
4. Juli. (Genf.) Das Genfer Bolk verwirft in großer 
Aufregung die vom Großen Nathe beschlossene vollständige Tren- 
nung von Staat und Kirche und die Aufhebung des bisherigen 
Cultusbudgets mit 9300 gegen 4064 Stimmen. Der Entscheid wird 
als eine schwere Niederlage der Ultramontanen und der Radicalen 
angesehen.
	        
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