Full text: Europäischer Geschichtskalender. Einundzwanzigster Jahrgang. 1880. (21)

514 Griechenland. (Juni 7 — Aug. 5.) 
Das Jufanteriecorps und das jogen. Uebungscorps find jedes 4000 
Mann stark und ebeuso stark sind die Artillerie, die Kavallerie und das 
Pioniercorps, so daß die mobile Armee zusammen sich auf 12,300 Mann 
beläuft. Das nun projectirte System geht dahin, daß die gegenwärtig unter 
den Fahnen weilenden Mannschaften den Kadre für eine drei= oder vierfache 
Truppenstärke bilden werden, zu welcher das Material ans den vorhergehen- 
den Jahrgängen reichlich vorhanden sein soll. Wider alles Erwarten günstig 
gestalten sich die Aussichten für die aus Freiwilligen zu bildenden Jäger- 
Bataillone. Dieselben bilden den Schwerpunct des Trikupis'schen Militär- 
systems. Man hatte anfänglich drei Kategorien von Jäger- Freiwilligen mit 
ein-, zwei= und dreijähriger Dienstzeit systemisirt. Nach den Berichten aus 
den ekkrutirung-= Centren gestaltete sich der Zudrang zu diesem Freiwilligen- 
Corps so groß, daß die Regierung sich veranlaßt fand, die Aufnahmsbedin- 
gungen zu erschweren. Sie beschränkte die Aufnahme schließlich auf die 
Kategorie mit dreijähriger Dienstzeit. Mittlerweile findet eine eifrige Re- 
vision und Completirung des Kriegsmaterials statt und sind außer der Ver- 
stärkung der Grenzposten auf der ganzen Grenglinie zwei Concentrations= 
Centren errichtet worden, die zugleich als Sommer-Feldlager dienen werden. 
Das eine ist Korfun, woselbst die weilläufigen englischen Kasemalten und 
Kasernen leicht 15,000 Mann Unterlunft bieten können, das andere ist drei 
Stunden außerhalb Athens errichtet worden. Ferner erging bereits von der 
griechischen Regierung an das französische Cabinet die Anfrage, ob dasselbe 
geneigt sei. höhere Offiziere des Geniecorps und der Jnfanterie nach Griechen- 
land zu senden, theils um Führerstellen in der Armee zu übernehmen, theils 
um die Mobilisirung derselben durchzuführen. 
7. Juni — 1. Juli. Verliner Conferenz der Großmächte be- 
hufs Regelung der griechisch-türkischen Grenzfrage (s. 7., 16., 25., 
28. Juni und 1. Juli Deutschland): Griechenland wird ganz Thef- 
salien und ein erheblicher Theil von Epirus zugesprochen. 
4. Juli. Die Regierung beruft die Armee-Reserve unter die 
Waffen. 
14. Juli. Der Municipalrath von Athen läßt zu Ehren des 
französischen Nationalfestes illuminiren. 
16. Juli. Der englische Gesandte überreicht der Regierung die 
von der Berliner Conferenz beschlossene Collectivnote bez. Regelung 
der Grenzfrage. Die Regierung beantwortet dieselbe sofork dahin: 
„Der Präsident des Conseils erkennt dankbar den Geist hoher Billig- 
t an, von welchem die Mächte in der Aunsführung der Mediation sich 
ke 
haben leiten lasfen, und acceptirt im Namen der hellenischen Regierung die 
neue Grenzlinie.“ Dagegen ankwortet die Pforte ihrerseits ablehnend. 
5. August. Ein kgl. Decret befiehlt die Mobilisirung der 
Armee und beruft die Kammer auf den 8. September. 
Die Mobilisirungs-Ordre ist von einer Erklärung der griechischen 
Regierung begleitet, in welcher sie sich dagegen verwahrt, daß man in dieser 
Mahregel. einen feindseligen und provocirenden Schritt gegen die Pforte er- 
blicke. Das griechische Heer, dessen Organisation den Anforderungen der 
Neuzeit nicht mehr entspreche, solle auf die Stärke von 60,000 Mann ge- 
bracht werden, wozu einige Monate erforderlich seien. Mit den Reserven 
 
	        
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