Die
Czechen.
562 Aebersitht der polilischen Entwicklung des Jahres 1880.
genommen, und es fehlen nur wenige Schritte, um aus dem bisher
vorwiegend deutschen Oesterreich ein vorwiegend slavisches zu machen,
in dem Czechen, Polen, Slovenen 2c. das große Wort führen. Eine
Sicherung und Befestigung der Allianz zwischen Deutschland und
Oesterreich-Ungarn kann in dieser Wendung jedenfalls nicht erkannt
werden und ebenso wenig eine Garantie für die Machtstellung Oester-
reich-Ungarns in Europa.
Graf Taaffe hat sich, wie er behauptet, im Jahre 1879 unmittel-
bar nach seinem Amtsantritte das Verdienst erworben, die Czechen zum
Eintritt in den Reichsrath zu vermögen, so daß nach zehn Jahren end-
lich zum ersten Mal die Volksvertretung eine vollständige und von
allen Theilen der Monarchie beschickt war. Die Verfassung war da-
durch allerdings erst jetzt zu einer allseitig anerkannten geworden. Ge-
nau besehen war indeß das Verdienst des Grafen Taaffe ein mehr als
zweifelhaftes. Denn die Ceechen hatten nachgerade selbst eingesehen,
daß ihre langjährige Abstinenzpolitik ihnen rein gar nichts genützt
habe, daß die Regierung und die öffentliche Meinung den Gerne-
groß ruhig in seinem Schmollwinkel stehen ließen und über sie zur
Tagesordnung schritten, ja daß sie allmälig eine geradezu lächerliche
Rolle zu spielen anfingen. Zweifelsohne wären sie auch ohne den
Grafen Taaffe binnen kurzem von selbst und bedingungslos in den
Reichsrath eingetreten, um diesen nicht länger ohne sie über sie ent-
scheiden zu lassen, sondern vielmehr ihren berechtigten Antheil an
den Beschlüssen desselben in Anspruch zu nehmen. Statt dessen be-
wog er die Curie der Großgrundbesitzer, in welcher die deutschen
Elemente das entschiedene Uebergewicht hatten und die daher auch
bisher ausschließlich Dentsche in den Reichsrath gesandt hatte, die
Hälfte ihrer Vertreter freiwillig den Czechen zu überlassen. Dadurch
spielte er der föderalistischen Rechten des Reichsraths die Majorität,
freilich nur eine Majorität von wenigen Stimmen, in die Hände,
drückte die deuntsch-liberale verfassungstreue Partei in die Minderheit
herab und machte den Czechen überdieß gewisse Zusicherungen, die
ihn wenigstens moralisch banden und die er wenigstens nach und
nach einzulösen sich verpflichtet fühlte. So leisteten denn die Cze-
chen, als sie in den Reichsrath eintraten, den Eid auf die bestehende
Berfassung zwar einfach und ohne abschwächenden Zufatz, aber
durchaus nicht ohne reservatio mentalis und die Regierung war
damit offenbar einverstanden. Schon die Throurede des Kaisers
bei Eröffnung des Reichsralhs enthielt bezüglich der Ansprüche oder