Full text: Europäischer Geschichtskalender. Einundzwanzigster Jahrgang. 1880. (21)

564 Aebersicht der polikischen Enlwichlung des Jahree 1880. 
ralen Minister wurden verdrängt und durch Glieder der Rechten 
oder durch Bureaukraten, die zu Allem die Hand boten, ersetzt. Noch 
vor Ende des Jahrs gehörten alle Glieder der Regierung den ver- 
einigten Parteien der Rechten an. Schwieriger war es, dem zweiten 
Verlangen der Rechten, daß auch das Personal der Ministerien und 
namentlich die deutsch gesinnten Beamten in den nicht-deutschen Pro- 
vinzen beseitigt und durch Nationale oder willenlose Werkzeuge oder 
ehrgeizige Streber ersetzt werden möchten, zu entsprechen. Ein solch 
gründlicher Wechsel war nicht so leicht ins Werk zu setzen; doch that 
die Regierung ihr Möglichstes, freilich ohne die Heißsporne der Rechten 
zufrieden stellen zu können. Dann kamen einzelne Parteiforderungen, 
Tie dreidie befrriedigt sein wollten. Die Rechte war aus drei Fractionen 
Frriezusammengesetz, den Polen, den Czechen und der sog. Rechtspartei, 
Nechien. und jede hatte selbstverständlich ihre besonderen Anliegen, wobei 
jede Fraction den anderen helfen mußte, sie durchgusetzen. Zunächst 
Forde, traten die Clericalen, die sich der Rechtspartei angeschlossen hatten, 
nrane auf den Plan und verlangten die Herabsetzung der achtjährigen 
vereee- Schulpflicht auf eine bloß sechsjährige und die Umwandlung der 
Schulen in rein confessionelle: die Schule sollte also wieder der 
Kirche ausgeliefert und wieder hauptsächlich nur ihren speciellen 
Zwecken dienen. Nebenbei wurde auch noch ein föderalistischer Zweck 
damit verbunden, indem die Regelung dieser Verhältnisse dem Reichs- 
rath und der Centralregierung abgenommen und den Landtagen und 
Landesregierungen der einzelnen Kronländer übertragen werden sollte. 
Zunächst fand indeß der Antrag selbst von Seite der Nechten nur 
eine äußerst kühle Aufnahme und die Clericalen, die nur eine Minder- 
heit einer der drei Fractionen der Rechten ausmachten, mußten sich 
vorerst gedulden. Sie geduldeten sich auch, aber ungern, und ver- 
zichteten darum keineswegs, da sie wohl wußten, daß die Rechte 
ihrer Stimmen nicht entbehren könne, wenn sie die Mehrheit der 
Forde. Kammer behaupten wolle. Glücklicher waren die Czechen, die ihrer- 
inen seits darauf ausgingen, das bisherige Verhältniß zwischen den beiden 
*- Sprachen in Böhmen, nuch welchem die deutsche Sprache in Amt 
und Schule die herrschende und die czechische nur so weit zugezogen 
wurde, als das practische Bedürfniß es verlangte, einsach umgekehrt 
und zunächst da, wo das Cezechische ausschließlich herrschte oder doch 
entschieden überwiegend war, das Deutsche ganz ausgemerzt, die 
Deutschen aber selbst in den rein deutschen Bezirken Böhmens ge- 
zwungen werden sollen, czechisch zu lernen, wenn sie amtiren wollen.