Full text: Europäischer Geschichtskalender. Einundzwanzigster Jahrgang. 1880. (21)

568 AUebersicht der politischen Enimicklung des Jahres 1880. 
Deutschen Wohlwollen und Förderung gefunden. Aber es ist doch 
etwas ganz anderes, wenn in Galizien die höher stehende Race der 
Polen die entschieden unentwickeltere der Ruthenen beeinträchtigt, 
als wenn in Böhmen die niedrigere der Czechen die höhere der 
Deutschen zu verdrängen sucht. Im Reichsrathe und unter dem 
Regimente des Grafen Taaffe halten alle Slaven zusammen und 
haben sich ihnen die föderalistischen Neactionäre Hohenwarts und 
die Clericalen unter Lienbacher angeschlossen, um die deutsche Leitung 
abzuschütteln, deutschen Einfluß zu brechen und den deutschen Libe- 
ralismus zu bekämpfen. Unter sich tauschen dabei die einen politische 
Vortheile gegen nationale der anderen ein. Nationale Beschwerden 
haben die Polen Oesterreichs im Grunde gar keine; wohl aber han- 
delte es sich für sie im Laufe des Jahres 1880 bei der neuen Re- 
Die Neu-gulirung der Grundsteuer um einen sehr wesentlichen finanziellen 
reguli. Vortheil und zwar auf Kosten des Gesammtstaats und speciell auf 
zung derKosten der deutschen Provinzen. Mehrere Millionen Morgen Lan- 
steuer, des bezahlten in Galizien notorisch keine Grundsteuer und die frü- 
here Regierung hatte darum mit Rücksicht auf die Finanzlage des 
Staates, die Jahr für Jahr mit einem Deficit abschließt, mit vollem 
Recht eine Neuregulirung der Grundsteuer ins Auge gefaßt und dazu 
umfassende Vorarbeiten angeordnet, deren Kosten sich bereits auf 
eine ganze Anzahl von Millionen Gulden belief. Die Frage war 
nunmehr an den Reichsrath gelangt und von diesem einem Aus- 
schuß überwiesen worden, in dem natürlich die Majorität desselben 
d. h. die verbündeten Parteien der Rechten die Mehrheit hatten. 
Die Wiederhereinbringung der aufgewendeten Millionen, eine nur 
billige größere Heranziehung Galiziens zur Steuer und eine erheb- 
liche Mehrung der Staatseinnahmen, die einer solchen ja dringend 
bedürfen, schien gesichert zu sein. Aber diese Ansicht machte ihre 
Rechnung ohne Rücksicht auf die Polen und die gegenseitigen Inter- 
essen der Parteien der Mehrheit. In erster Linie wußten die Polen 
die Frage zu verschleppen, in zweiter aber mit Hilfe der Mehrheit 
der Commission dieselbe in einer Weise zu erledigen, daß die Polen 
schließlich noch etwas weniger zahlen sollten als bisher, auch die 
wirklich überbürdeten Böhmen entlastet, das dadurch entstehende De- 
ficit aber den deutschen Provinzen aufgehalst wurde, die Gesammt- 
summe sogar hinter dem bisherigen Ertrag nicht ganz unbedeutend 
zurückblieb. Und dazu boten auch die clericalen Vertreter der deut- 
schen Provinzen ohne Rücksicht auf ihre Wähler aus Parteiinteresse
	        
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