Uebersicht der polilischen Eutwichlung des Johres 1880. 585
der That ein Wagniß: jetzt mußte es sich zeigen, ob die Regierung
der Republik stark genug sein werde, sie durchzuführen oder ob es
ihren Gegnern gelingen werde, sie daran zu verhindern. Niemand
wußte, wie stark die clericale Partei in Frankreich eigentlich sei
und wie groß ihr Einfluß auf die Masse der Bevölkerung. Die
Jesuiten dachten nicht daran, sich aufzulösen; sie und ihre legitimi-
stischen, bonapartistischen und clericalen Gönner waren vielmehr
entschlossen, es darauf ankommen zu lassen und nur der Gewalt zu
weichen. Es folgte eine bewegte und ängstliche Zeit, von beiden
Seiten bereitete man sich vor; eine Menge reactionärer Beamteter
gab ihre Entlassung, um bei der Austreibung nicht mitwirken zu
müssen und um die öffentliche Meinung aufzustacheln. Endlich war
der verhängnißvolle 30. Juni da, der Termin zu Ende. An die= Aus-
sem Tage wurden die sämmtlichen Jesuitenniederlassungen in ganztweibmn
Frankreich von den Behörden nach dem bestehenden, aber unter dem jutten.
Kaiferreich ganz in Vergessenheit gerathenen Gesetz aufgelöst und
für aufgehoben erklärt. Der Widerstand war gegen alle Erwartung
nur ein sehr unbedentender und lediglich formeller. Umgeben von
ihren hochgestellten Freunden und Gönnern erwarteten die Jesuiten
im Innern ihrer Häuser die Gewalt. Die Thüren mußten erbro-
chen und die Jesuiten am Arm, also gewaltsam, herausgeführt
werden; sie erhoben in aller Form Protest gegen die Besitzstörung.
Das war aber auch Alles. Die Massen der Bevölkerung blieben
ruhig und allem Anschein nach gleichgiltig, als ob sie die ganze
Sache nichts anginge. Nur die Jefuitenschulen durften noch bis
zum nahen Schluß des Jahrescurfus fortdauern, um dann gleich-
falls geschlossen und aufgehoben zu werden. Auch das geschah unter
denselben Erscheinungen. Die Jesuiten zerstreuten sich. Ihre Klage
wegen Besitzstörung wurde zwar von einigen reactionär gesinnten Ge-
richtshöfen zugelassen, aber der Competenzgerichtshof entschied schließ-
lich gegen sie. Die Sache war zu Ende, dieses Decret ausgeführt.
Indeß damit war erst die Hälfte der Aufgabe der Regierung 2ie
erledigt und zwar die leichtere. Die Jesuiten sind in weiten Krei- Frage
sen der öffentlichen Meinung gebrandmarkt, verhaßt, zum mindesten ber nicht
nicht beliebt, verhältnißmäßig auch nicht sehr zahlreich. Die nicht kannten
erlaubten männlichen und weiblichen Orden dagegen waren zahlreich Orden-
und ebenso die von ihnen gegründeten Schulen und viele von ihnen
beliebt oder wenigstens nicht ungerne gesehen. Die Regierung wäre
daher wohl sehr geneigt und bereit gewesen, diefelben oder doch