76 Das deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 25.)
dessen Annahme die Commission empfiehlt, beantragt dieselbe einen Zusatz,
wonach durch Regierungsverordnung bestimmt werden soll, inwieweit und
unter welchen Voraussehungen auswärtigen Geistlichen die öffentliche Aus-
übung kirchlicher Functionen aushilfsweise und vorübergehend gestattet ist.
Es handelt sich hiebei hauptsächlich um nachbarliche Hilfeleistung in den
Grenzorten. Zu Art. II bemerkt der Commissionsbericht: „In der Ueber-
gangsbestimmung des Art. 4 des Gesetzes von 1874 war den Geistlichen,
welche zur Zeit der Verkündung des Geseyes von 1874 zu Priestern geweiht
waren, gestattet, ein Kirchenamt zu erlangen, wenn sie die Staatsprüfung
bestanden oder auf persönliche Bitte Dispens erlangt hatten. Die strengeren
Bestimmungen begüglish der von den Candidaten zu erbringenden Nachweise,
wie sie Art. 1 des Gesetzes von 1874 festsett, insbesondere die Bestimmung,
daß vom dreijährigen Besuch einer deutschen Universität derjenige nicht dis-
pensirt werden könne, welcher seine Studien an einer Anstalt gemacht, an
welcher Jesuiten oder Mitglieder anderer verwandten Orden lehren, galten
ihnen nicht. Es wurde nun in Zweifel gezogen, ob sich ihr Rechtsstand
nicht verschlimmere, wenn dieser Art. 4 jehzt einfach aufgehoben werde, und
ob sie damit nicht unter diese stengeren Bestimmungen sielen. Die Com-
mission war der Ansicht, daß mit der Aufhebung des Art. 4 eine ihnen
ungünstige Rückwirkung des Gesebes nicht eintrete, und daß für sie daher
bezüglich der von ihnen zu erbringenden Nachweise die ihnen durch den
Art. 4 seiner Zeit vorbehaltenen Erleichterungen nicht erloschen seien.“
Staatsminister Turban erklärt die völlige Uebereinstimmung der groß-
herzoglichen Regierung mit dem Commissionsbericht. Kiefer wirft einen
Rückblick auf die Vergangenheit. Von 1867 bis 1872 habe auf Seite des
Staates eine friedliche Gesinnung geherrscht, während sich auf Seite der
Kirche eine feindselige, kriegerische Stimmung kundgegeben, welche zu dem
schroffen Dispensverbot geführt habe. Das Gefeh von 1874 sei nur eine
Folge dieser Haltung der Kirchenregierung. Wenn die Jungpriester in das
Ausland oder aus ihrer Carridre gekrieben wurden, so sei hieran die Kirchen-
egiernng. schuldig. Ebenso an der Abnahme der Theologie-Studierenden,
der Verwaisung der Pfarrhäuser 2c. Es haben dann im vorigen Jahre
Verhandlungen zwischen Karlsruhe und Freiburg stattgefunden. Die groß-
herzogliche Regierung sei dabei nicht mit der erforderlichen Schärfe aufge-
treten, um der Curie das Verständuiß über das Mögliche und Nichtmög-
liche zu eröffnen. Dieß habe die enichloffene # der Volksvertretung
zund ihre Commission fertig gebracht und der Vertreter der Kirchenregierung
habe schließlich nachgegeben. Daß dch of Kübel dicser Schritt gethan, habe
er in treuer Erfüllung seiner Pflichten gethan und dieser, Schritt sei auch
der Kammer aufrichtig willkommen. Die Kammer wollte, daß die Kirchen-
regierung wieder in den Besit der Arbeitskräfte gelange, welche nöthig feien,
damit die Kirche ihre segensreiche Aufgabe erfülle. Das erkenne pietätvoll
auch der Protestant an. Die Kammer sei sich ihrer Pflichten in Nückicht
auf die eigenthümlichen Bedürfnisse der katholischen Kirche voll bewußt.
Redner schließt: „Wir wollen, in dem Zeilpunkte, wo die Pfarrstellen zu
verwaisen beginnen (von einem eigentlichen Nothstande kann noch nicht die
Rede sein), vertrauensvoll sein, mit einer gewissen Kühnheit vorgehen und
sagen: es genügt uns an dem Nachweis einer allgemein wissenschaftlichen
Vorbildung, wie ihn jeder andere Staatsdienst-Candidat leisten muß. Damit
ist die denkbar fernndlichse Stellung gegen die Kirche angenommen, die es
überhaupt gibt. Wenn wir aber das thun, so wollen wir hoffen, daß es
auch dem Clerus zum Wohle diene. Damit wird dem Staate nichts ver-
geben, nichts bindet ihm die Hand. Hoffen wir, daß auch andrerseits das,
was jepßzt geschieht, gewürdigt werdel“ v. Freydorf erklärt: daß er als