Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 28—29.) 115
wird, wie wir denken. Wer einen Bedarf an mit der Regierung unzufrie-
denen Wählern hat, wie neulich ein großes süddeutsches Blatt sich ausdrückte,
wird im großen an den directen Steuern festhalten wollen, wer dahin strebt,
daß in der Bevölkerung Zufriedenheit herrsche, der wird mehr für die in-
directen Steuern sein. Es stellt sich das praktisch und in der Erfahrung
heraus und ich brauche die psychologischen Gründe nicht zu entwickeln; wer
Opposition macht, der braucht Unzufriedenheit in der Bevölkerung und wird
Mittel finden, sie zu erregen, indem er die Regierung als unfähig, als übel-
wollend und vielleicht nur als ungeschickt darstellt, und es ist dies in allen
konstitutionellen Staaten der Fall, aber man soll es der Regierung nur nicht
verdenken, wenn sie den entgegenstehenden Einwirkungen gegenüber auch ihrer-
seits der Bevölkerung Klarheit zu verschaffen sucht. Ich komme noch auf
den Vorwurf des Widerspruchs zurück, den mir der Herr Abgeordnete ge-
macht hat, wenn er sagte, daß die Denkschrift den Vorlagen widerspreche,
indem die Denkschrift alle directen Steuern verurtheilt. Das ist nicht richtig,
er selbst hat die Stellen angeführt, worin gesagt ist, daß es nicht die Ab-
sicht sei, nun plötzlich alle directen Stenern abzuschaffen. Ich darf mich
auch darauf berufen, daß ich bei einer früheren Gelegenheit, einer der ersten,
wo die Steuerfrage hier zur Sprache kam, ein etwas weitgehendes Zukunfts
programm, was angeblich von anderer Seite als Zukunftsmusik begzeichnet
worden ist, vorgetragen habe, indem ich immer mir vorbehielt, die Einkom-
mensteuer als ein Anstandsbedürfniß für die wohlhabenden Klassen in irgend
einer Form beizubehalten und nur dabei einen Unterschied zu machen in
Zukunft zwischen demjenigen Einkommen, welches durch Arbeit, Unterneh
mungsgeist täglich erworben werden muß, und zwischen demjenigen Einkom
men, welches die Natur einer Rente hat und entweder aus nicht selbst be-
wirthschafteten Grundstücken als regelmäßige Pacht fließt oder lediglich die
Mühe des Couponabschneidens bedingt, und namentlich die letztere Klasse des
Einkommens ist bei uns in dem Maße niedrig besteuert, daß darauf die
Klagen des Herrn Vorredners, daß die Lasten den Reichen erspart und dem
gemeinen Mann aufgewälzt würden, im höchsten Maß Anwendung finden,
denn alle diejenigen Arten der Besteuerung. des Einkommens, die gerade die
reichsten Klassen, die Coupons schneidenden Klassen treffen, sind in der Regel
meines Erachtens, wie es auch in der Natur dieser Revenüen liegt, die nicht
aus einem offen an der Sonne liegenden Felde stammen, sondern schwer er-
kennbar sind, zu niedrig veranlagt und da erwarte ich noch eine Fundgrube,
sobald es gelingt, das System der Selbsteinschätzung mit eventuellen Con-
ventionalstrafen einzuführen, die ich kaum für nothwendig halte, denn so
sehr häufig, wie die meisten Finanzminister annehmen, sind bei uns die ge-
bildeten Leute nicht, die für Geld lügen. — Es muß früher mehr der Fall
gewesen sein, sonst würden unsere Zollbehörden nicht so ängstlich sein, wenig-
stens Männern gegenüber nicht. — Ich muß sagen, ich babe von Jugend
auf, so unbequem es mir war, an der Grenze auf die Frage: haben Sie
etwas Steuerbares bei sich? nie eine Unwahrheit über meine Lippen bringen
können, so unbequem es auch war; und ich glaube, so wie ich, fühlen die
meisten Leute. Keiner wird sich der Ueberführung der Unwahrheit aussetzen.
In den Hansestädten fungirt dieses System mit großer Anerkennung und
wird, wie man sagt, mit großer Gewissenhaftigkeit ausgeführt und ich glaube,
wir unseren hanseatischen Landsleuten in dieser Gewissenhaftigkeit keinen
Vorsprung lassen würden, wenn es gelänge, dahin zu kommen. — Dann
aber bin ich überzeugt, daß die Einkommensteuer noch neue Quellen flüssig
machen wird, die bisher unbekannt geblieben sind. Also wenn der Herr
Abgeordnete dafür mit mir thätig sein will, daß das Einkommen aus Cou-
pons höher besteuert wird als bisher und dadurch der arme Mann erleich-
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