Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 28—29.) 117
deckt und der öffentlichen Kritik entzieht. Die Häusersteuer und die Grund-
steuer haben die Eigenthümlichkeit, daß sie sich gleich der Miethssteuer nicht
nach dem Vermögen dessen richten, der sie zahlt, auch nicht die Absicht haben,
dies zu thun, sondern sie besteuern brutto das Object, aus dem der Steuer-
schuldner seine Revenüen zieht, und deshalb bin ich der Meinung, sie sollten
wenigstens keinenfalls den Maßstab für irgendwelche Zuschläge bilden. Ich
habe niemals -- und das ist wiederum ein Irrthum, den der Herr Abge-
ordnete Dr Lasker öffentlich verbreitet hat — für Verminderung der Grund-
steuer gestimmt, nicht um einen Heller. Ich bin von der Ueberzeugung aus-
gegangen, die ja vielleicht irrthümlich ist, daß die Ungerechtigkeit, die bei
der Veranlagung der Grundsteuer vorgegangen ist, die heutige Generation
nur wenig, manche gar nicht, in verkauften Gütern u. s. w. berührt; die
Grundsteuer ist eine Belastung des inländischen Getreides und Brodkornes
ihrer Natur nach. Das Anbauen des inländischen Kornes wird durch sie
vertheuert. während das ausländische nicht besteuert werden soll, das ist so
die Logik der Herren, die die Zölle bekämpfen, aber die Grundsteuer völlig
aufrecht erhalten. Dennoch gehöre ich zu denen, die die Grundstener nicht
vermindern wollen, und dises Uebergeugung ist in regierenden Kreisen allge-
mein; wenn ich sie theile, so kommt das nicht daher, weil ich sie objectiv
für richtig halte, aber daher, weil ich gerade den Entstellungen, die sich an
solche Dinge knüpfen, keinen Raum geben wil, weil ich die Möglichkeit ab-
schneiden will, daß sogar so scharfsichtige Leute wie der Herr Abgeordnete
Lasker in den Irrthum fallen, es bestehe bei uns ein Rassen und Klassen-
kampf, den gemeinen Mann in Steuerfragen unter die Füße zu treten und
von seinem Schweiß die reichen Leute, namentlich die so verhaßten großen
Grundbesitzer, reich zu machen. Diese Entstellungen sind es, die ich befürchte,
und weil ich die Neigung zu solchen Insinnationen gerade gegen den Grund-
besitz in einem großen Theil unserer politischen Welt, in den meislen der-
jenigen, die keinen großen Grundbesitz haben, gefunden habe, habe ich aus
politischer Vorsicht, nicht aus Ueberzeugung, im Staatsministerium stets er-
klärt: ich willige in keine Verminderung der bestehenden Grundsteuer, aber
ich verlange, daß sie wegen der Unverhältnißmäßigkeit, in der sie zur Lei-
stungsfähigkeit des Zahlers steht, aufhört, Maßstab für Zuschläge zu sein:
dadurch wird die alte Ungerechtigkeit in jedem Jahre neu wiederholt, und
ich wünsche, daß anstatt dieser Zuschläge eine Hälfte der Grundsteuer oder
mehr, je nachdem das Bedürfniß ist, den Provinzen und Kreisen und mit
der Haussteuer den Städten überwiesen werde, wo auch wieder der Grund-
eigenthümer das Steuerobject für die Beschließenden bildet, die es zum großen
Theil nicht sind, und für den einzutreten, halte ich für kein Verbrechen.
Der Grundbesitzer ist im ganzen, wenn Sie auf unsere deutsche Geschichte
zurückdenken, ein Stand von gutem und ehrbarem Ruf gewesen, und er hat
seine Schuldigkeit ebensogut gethan wie die Literaten, wenn ich eine Klasse
unter diesem allgemeinen Ausdruck begreifen kann; er hat in keiner Leistung
zurückgestanden, er hat in Krieg und Frieden vorzugsweise die Lasten ge-
tragen, er besteht nicht bloß aus reichen Gutsbesitzern, sondern auch aus
armen, er besteht nicht bloß aus reichen Bauern, er besteht auch aus armen,
verschuldeten Bauern, er besteht auch aus den kleinen Besitzern, von denen
ich wünschte, wir hätten ihrer viel mehr, als wir haben, und die mit einer
anerkennenswerthen Zähigkeit an dem Hause und dem Grundbesitz hängen,
den sie haben, und die, wenn sie auch nur minimale Beträge zahlen, doch
mit Grund und Häusersteuer ohne Rücksicht auf Schulden belastet sind,
wovon sie, glaube ich, sollten erleichtert werden. Also um diese Möglichkeit
zu haben, nicht aber zur Verminderung der Grundsteuer der großen Besitzer,
sondern zur Ueberweisung eines Theils derselben an die Gemeinden und