62 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 5—8.)
5. März. (Baden.) II. Kammer: der entschieden katholische
aber nicht ultram. Abg. Baumstark hält gelegentlich der Beratung
des Kultusetats eine energische Rede gegen den politischen Ultra-
montanismus, durch den die katholische Kirche nur geschädigt werde:
Dieser politische Ultramontanismus sei unhistorisch, unwissenschaftlich,
unchristlich, unpatriotisch. Der Ultramontanismus halte sich an die Präten-
sionen des Mittelalters; er habe nicht den Mut mit der freien Wissenschaft
in die Schranken zu treten und ziehe Knabenseminare und Konvikte der
deutschen Mittelhochschule vor. Er führe zu einer fanatischen Auffassung
des Christentums, welches die Religion der Versöhnung der Menschheit mit
Gott sei. Namentlich zeige sich dieß im Beichtstuhl und im Brevier. Die
moralrichterlichen Aus- drücke der Geistlichen seien von der ultramontanen
Geistesrichtung beeinflußt. Die Wiederherstellung des Mittelalters, die Welt-
herrschaft sei das Ziel des Ultramontanismus. Dieß widerstreite dem mo-
dernen Patriotismus, der keine Herrschaft der Kirche auf dieser Welt wolle.
Der Streit um katholische Fragen werde nie aufhören, so lange der Ultra-
montanismus, biese Pestbeule am heiligen Organismus der Kirche, nicht ab-
geschnitten sei. Erst dann seien wir ein einig Volk von Brüdern.
6. März. (Deutsches Reich.) Der „Verein deutscher Ta-
bakfabrikanten und Händler“ veröffentlicht einen Protest und eine
Denkschrift gegen das Monopol, namentlich gegen den angeblichen
Ertrag desselben, der auf den in der Vorlage selbst gegebenen Grund-
lagen ein reines Phantasiegebilde sei, was mit Zahlen nachzuweisen
versucht wird.
6 — 7. März. (Preußen.) Volkswirtschaftsrat: berät im
Plenum den Unfall- und den Kranken- Versicherungs-Gesetzentwurf.
Dieselben gehen nun, wie das Tabakmonopol, zunächst an den Aus-
schuß, um schließlich zur Entscheidung an das Plenum zurückzu-
kehren.
7. März. (Preußen.) Abg.-Haus: Etat des Auswärtigen:
das Haus genehmigt die Position für eine preußische Gesandtschaft
beim Papst gegen die Stimmen aller liberalen Fraktionen.
7—8. März. (Bayern.) II. Kammer: 10 Mitglieder der
Rechten beantragen, die Bitte an den König zu richten, daß „bei
Auslegung und Anwendung aller derjenigen Bestimmungen der
II. Verfassungsbeilage, die sich auf die Verhältnisse der katholischen
Kirche und ihrer Angehörigen beziehen, die Tegernseer Erklärung
vom 15. September 1821 der Staatsregierung als Richtschnur zu
dienen habe.“ Der Ministerpräsident v. Lutz erklärt sich Namens
der Regierung gegen den Antrag. Derselbe wird jedoch trotzdem
schließlich mit 80 (ultr.) gegen 71 (lib. u. protest.-konserv.) Stimmen
angenommen.
In der Debatte legt Rittler die Gründe dar, die zur Stellung