54 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 2-3.)
wahren Interessen des Landes offen und energisch einzutreten. Es liegt bei
den Wahlen ja eine rein elsaß- lothringische Frage vor, die nichts mit den
Gefühlen für die Vergangenheit, nichts mit der dankbaren Erinnerung an
diese gemein hat; sie betrifft specifisch elsaß- lothringisches Interesse — die
Gestaltung der nächsten Zukunft des Landes. Sprechen die Wahlen für den
Anschluß an Deutschland, so ist der Schritt zur Fortentwicklung unseres
Verfassungslebens gethan; sprechen sie dagegen, so liegen die Folgen auch
auf der Hand. So fasse ich die Sachlage auf, nach meiner Kenntniß der
allgemeinen Verhältnisse, und bei meinem warmen Interesse für Elsaß-Loth-
ringen, mit dem meine eigene Stellung ja gewissermaßen verbunden ist, und
so bitte ich Sie, geehrte Herren, die Bewohner Ihrer Bezirke über die
Bedeutung der nächsten Reichstagswahlen aufzuklären.“
2. Februar. (Preußen.) Volkswirthschaftsrath: der perma-
nente Ausschuß desselben beräth den Unfall versicherungsgesetzentwurf
des Reichskanzlers und beantragt, zu mehreren §§ nicht unwesentliche
Aenderungen, bei § 11 namentlich wird eine stärkere Heranziehung
der Arbeitgeber und der Arbeiter zu der Prämienzahlung beschlossen,
der Zuschuß der Landarmenverbände aber beseitigt, der eigentliche
Staatssozialismus also abgelehnt, dagegen die Reichsversicherungs-
anstalt genehmigt und der Kreis der zu versichernden Arbeiter noch
wesentlich ausgedehnt.
Der Beschluß geht nach dem Antrage des Geh. Commerz-Raths
Heimendahl dahin: die Versicherungsprämie ist aufzubringen 1) für die-
jenigen Versicherten, deren Jahresarbeitsverdienst 750 M. und weniger be-
trägt, zu 1/3 von Demjenigen, für dessen Rechnung der Betrieb erfolgt, zu
1/3 von dem Versicherten; 2) für diejenigen Versicherten, deren Jahresarbeits-
verdienst über 750 M. beträgt, zu 2/3 von Demjenigen, für dessen Rechnung
der Betrieb erfolgt, zu 1/3 von dem Versicherten. Die Annahme des Prin-
cips einer obligatorischen Versicherung der Arbeiter gegen Unfälle und zwar
an einer Reichsversicherungsanstalt war vorher mit großer Mehrheit ange-
nommen worden.
3—5. Februar. (Preußen.) Abg.-Haus: erste Lesung des
Verwendungsgesetzentwurfs, welches Fürst Bismarck Namens der Re-
gierung dem Hause unter dem 21. Dezember vorigen Jahres (s. in
Jahrgang 1880 Wortlaut und Motive) hatte zugehen lassen. Große
Debatte über die gesammte vom Reichskanzler geplante und ein-
geleitete Steuer- und Wirthschaftsreform. Die Conservativen er-
klären sich für, das Centrum, die Nationalliberalen und die Fort-
schrittspartei wesentlich gegen den Gesetzentwurf. Reden des Abg.
Gneist, des Finanzministers Bitter, des Abg. Eug. Richter und des
Reichskanzlers. Schließlich wird die Vorlage an eine Commission
von 28 Mitgliedern gewiesen und dort begraben, d. h. sie kommt
in dieser Session nicht wieder an das Haus zurück.
Die Debatte oder auch nur die genannten vier Reden, von denen
jede von ihrer Art eine höchst bedeutende oratorische Leistung ist, sind zu