Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 3—4.) 57
aber die Restrictionen und Mentalreservationen bei den Ultramontanen,
wenn sie auch aus tactischen Rücksichten, d. h. um sich bei den Wahlen als
Förderer der wohlthätigen Steuerreformpläne präsentiren zu können, im
Ganzen sich für die Vorlage erklären. Sie haben ja ohnehin nicht zu
fürchten, von dem Reichskanzler beim Wort genommen zu werden, da der
Gesetzentwurf augenscheinlich eine zweite Berathung nicht erleben wird.
Während so das Centrum sich in der Wirthschaftspolitik scheinbar auf die
Seite des Reichskanzlers stellt, um der Regierung bei den Wahlen den Apell
an die materiellen Interessen der katholischen Wähler unmöglich zu machen,
wendet sich seine Presse mit ungezügelter Leidenschaftlichkeit gegen die con-
servative Partei, seitdem es sich herausstellt, daß Frhr. v. Hammerstein, als
er sich bei der Berathung des ersten Antrags Windthorst günstiger bezüglich
der Aufhebung des Sperrgesetzes aussprach, nur die Ansichten des äußersten
rechten Flügels vertreten hat. Die H.H. Windthorst und Genossen begreifen
nunmehr, daß sie auf dem falschen Wege waren, als sie hofften, die Con-
servativen würden sich in den kirchenpolitischen Fragen von der Führung
der Regierung emancipiren und dem Centrum ihre Unterstützung, trotz des
Hrn. v. Puttkamer, zur Verfügung stellen. Die Conservativen erinnern sich
noch sehr gut, wie schlecht ihnen der Versuch bekommen ist, bei dem Schul-
aufsichtsgesetz dem Fürsten Bismarck Opposition zu machen, mit welcher
Energie sie bei den Wahlen des Jahres 1873 von der parlamentarischen
Arena weggefegt worden sind. Etwas ähnliches könnte sich am Ende heut-
zutage wiederholen, wenn die Herren vergessen sollten, daß sie ihre Mandate
dem von dem Reichskanzler provocirten „conservativen Hauch“ verdanken.
Das Gros der Conservativen steht auch heute noch auf dem originellen Stand-
punkte, den einer der ihrigen, Hr. v. d. Reck, in der Nachsession des vorigen
Jahres bei der Berathung über die Kirchenvorlage unter stürmischer Heiter-
keit des Hauses so treffend bezeichnete, als er sagte: „Wir sind bereit, dem
Centrum so weit entgegen zu kommen, als es die königlich preußische Staats-
regierung gestattet.“
In Folge der Antisemiten-Agitation sind beim preußischen
Abgeordnetenhause bereits zahlreiche Petitionen für Beschränkung der
bürgerlichen Rechte der Juden eingegangen.
3. Februar. (Bayern.) II. Kammer: Steuergesetzgebungs-
ausschuß: lehnt auch in zweiter Lesung den schon in erster Lesung
(s. 27. Novbr. 1880) abgelehnten Antrag der Regierung auf Ein-
führung einer allgemeinen Einkommensteuer ab.
4. Februar. (Deutsches Reich.) Bundeirath: die Vor-
arbeiten für die Ansführung des Beschlusses vom 26. Mai und 14.
Juni 1880 (s. d.), daß, vorbehaltlich der näheren Modalitäten, die
Stadt Altona und der Elbstrom von Altona und Harburg abwärts
bis Cuxhaven in das Zollgebiet einzuschließen seien, sind nunmehr
vollendet:
Die Gesammtausgabe beträgt in Schleswig- Holstein 1,028,805 M,
wofür in Hannover 7205 M. erspart werden. Davon werden der Zollgemein-
schaft 78,470 M. in Anrechnung zu bringen sein, so daß 943,130 M. ver-
bleiben. Von dieser Summe hat wieder Hamburg 66,721 M. zu übernehmen.
Für private Rechnung Preußens bleiben 324,564 M. Die einmaligen Aus-
gaben sind auf 1.936,530 M. veranschlagt, wovon der Zollgemeinschaft