64 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 8 -11.)
freundlichste Protestantengemüt etwas verletzendes gelegen haben, andernfalls
hätte der Abg. Luthardt gewiß nicht mit Nein gestimmt. Auf der andern
Seite will es die Ironie, daß die liberale Kammerpartei so wenig mit der
protestantischen Konfession identisch ist, daß vielmehr ihre Führer der Mehr-
heit nach katholisch sind. Abgesehen von den Marquardsen, Aub, Lerchen-
feld, Crämer, K. H. Schmidt und Vaillant: die Fischer, Schautz, Hörmann,
Schlör, Alwens, Buhl, Stauffenberg und Herz gehören der kalholischen
Kirche an. Der Anspruch der Ultramontanen auf ein Namens der katho-
lischen Bevölkerung genommenes Wort muß danach bemessen werden. Sie
sind nur eine bestimmte kirchliche Partei, mehr nicht. Man nimmt denn
auch von vorneherein an, die l. Kammer werde den Beschluß der II. Kammer
ihrerseits verwerfen und so gar nicht bis an die letzte entscheidende Instanz
gelangen lassen.
8—II. März. (Preußen.) Volkswirtschaftsrat: der perma-
nente Ausschuß desselben berät das Tabakmonopol und spricht sich
schließlich mit 16 gegen 9 Stimmen für das Monopol, für eine
höhere Besteuerung des Tabaks aber mit 20 gegen 3 Stimmen aus.
9. März. (Preußen.) Abg.-Haus: nimmt die Eisenbahn-
verstaatlichungs-Vorlage nach den Anträgen der Kommission im
wesentlichen durchaus nach den Wünschen der Regierung in 2. Lesung
an, verschiebt dagegen die 3. Lesung ausdrücklich, bis das Herrenhaus
dem Gesetze über die finanziellen Garantieen seine Zustimmung er-
teilt haben wird.
9. März. (Bayern.) I. Kammer: Debatte über den neuen
(zweiten) Beschluß der II. Kammer wider die Simultanschulen und für
die Wiederherstellung reiner Konfessionsschulen. Der Minister v. Lutz
erklärt den Antrag der II. Kammer für gänzlich unannehmbar für
die Regierung, weil derselbe unvollstreckbar sei. Das Haus lehnt
den Beitritt zu dem Beschlusse der II. Kammer mit allen gegen
1 Stimme (des starr ultram. Fürsten Löwenberg) ab und beharrt
also auf ihrem früheren vermittelnden Beschlusse.
11. März. (Bayern.) I. Kammer: Debatte über den Bei-
tritt zum Beschlusse der II. Kammer wider das Tabakmonopol.
Die Kommission beantragt diesen Beitritt. Die Regierung erklärt,
daß sie auch heute noch außer Stande sei, sich bez. ihrer Stellung-
nahme zum Tabakmonopol definitiv auszusprechen. Das Haus
lehnt nach bewegter Debatte den Beitritt mit 31 gegen 12 Stimmen
ab. Die Mehrheit ist ersichtlich für Erhöhung der Reichseinnahmen
und nicht gegen das Tabakmonopol, hält aber die Frage für noch
nicht spruchreif.
11. März. (Hessen.) II. Kammer: Debatte über den An-
trag, die Regierung zu ersuchen, sich im Bundesrate gegen das Ta-
bakmonopol zu erklären. Die Regierung erklärt, zu der Frage noch