Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 14—16.) 67
erst der Vorwurf des Republikanis- mus gegen uns erhoben worden. Das
mag ja im Interesse gewisser Leute liegen, die das für nötig halten, um
ihre Stellung zu sichern. (Sehr gut! links.) Es ist aber doch das erstemal,
daß mitten im Parlament einer Partei der Vorwurf gemacht wird, ihre
Königs- und Reichstreue sei ein von ihr erfundener Mythus. Wo isi denn
der Mythus? Das Recht des Königs zur selbständigen Leitung seiner Po-
litik, wie es im Erlaß betont wird, haben wir zu keiner Zeit bestritten;
wir glauben aber auch, daß der König stets mit seinem Volke im Frieden
wird leben wollen und, wenn uns durch die Wahlen des Landes die Majo-
rität zufallen sollte, ein anderes Ministerium berufen wird. Wir haben
das ja auch schon erlebt. Wie kann man aber Männern, die nie die Treue
gegen den König und das Reich vernachlässigt haben, vorwerfen, daß sie
unter falscher Flagge segeln? Nur mit Widerstreben bin ich nochmals auf
dieses widerwärtige Thema eingegangen. Der Minister wird mir aber zu-
geben, daß es eine Grenze des Ertragbaren gibt.
14. März. (Preußen.) Volkswirtschaftsrat: der ständige
Ausschuß desselben billigt mit allen gegen 3 Stimmen die beabsich-
tigte Gewerbeordnungs-Novelle gegen das Hausierwesen. v. Rissel-
mann kündigt sogar an, er werde im Plenum eine Resolution ein-
bringen, in der die Regierung ersucht wird, bez. des Hausiergewerbes
auf den Standpunkt von vor 1868 zurück zu gehen.
11. März. (Baden.) II. Kammer: erklärt, wie zu erwarten
stand, die Wahl des katholischen aber nicht ultramontanen Abgeord-
neten Baumstark für ungiltig. Demokraten und Ultramontane
geben sich die Hand, ihn aus der Kammer zu entfernen und sich
zugleich in dieser für gewisse Fälle eine Majorität, wenn auch nur
von 1 Stimme, zu sichern.
15. März. (Deutsches Reich.) Das Reichsgericht trifft die
Entscheidung, daß gedruckte sozialdemokratische Wahlzettel, wie über-
haupt alle Formen der Vervielfältigung unter den Begriff der Druck-
schriften und somit unter das Sozialistengesetz fallen, eine Verteilung
von solchen also straffällig sei.
15. März. (Bayern.) Das Generalkomité des landwirt-
schaftlichen Vereins spricht sich nach einläßlicher Debatte mit 13
gegen 12 Stimmen für das Tabakmonopol aus. Ebenso erklärt sich
die Handelskammer von Augsburg mit 10 gegen 4 Stimmen für,
dagegen die Handels- und Gewerbekammer von Oberbayern ein-
stimmig gegen dasselbe.
15—16. März. (Preußen.) Volkswirtschaftsrat: der stän-
dige Ausschuß desselben genehmigt den Krankenkassen-Gesetzentwurf
nur mit zahlreichen Modifikationen und nimmt einen Antrag an,
wonach auch die in der Landwirtschaft und Forstwirtschaft ständig
beschäftigten Arbeiter zu diesen Kassen herangezogen werden sollen.
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