Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 29.) 77
unterstützen den Antrag lebhaft. Das Haus geht jedoch über den-
selben zur einfachen Tagesordnung über.
Der Antrag der Fortschrittspartei ging dahin: „Aus den in
Beschlag genommenen Objekten und deren Revenuen sind, mit Ausschließung
der Rechnungslegung an die Erben des Königs Georg, die Kosten der Be-
schlagnahme und der Verwaltung zu bestreiten. Die hienach sich ergebenden
Überschüsse sind dem Vermögensbestande zuzuführen.“ v. Bennigsen hatte
eine motivierte Tagesordnung vorgeschlagen, indem er die Hoffnung aus-
sprach, die Verhältnisse würden von selbst zur Aufhebung der Beschlagnahme
führen, und es werde den Verwandten des Herzogs von Cumberland ge-
lingen, einen Ausgleich mit der Krone Preußen herbeizuführen. Die Heraus-
gabe des Vermögens werde den Herzog von Cumberland zu einem weniger
gefährlichen Prätendenten machen und von allen Parteien in Hannover als
ein Akt der Staatsweisheit der preußischen Regierung begrüßt werden.
29. März. (Preußen.) Abg.-Haus: kirchenpolitische Kom-
mission: Nachdem die erste Lesung der kirchenpolitischen Vorlage der
Regierung (s. 17. Jan.) in der Kommission (s. 11,17. Febr.) zu einem
bloßen Torso, der im Grunde keine einzige Partei befriedigen konnte,
geführt hat, schließen endlich nach langen Verhandlungen die Kon-
servativen mit den Ultramontanen und den Polen, mit denen zu-
sammen sie die Mehrheit der Kommission ausmachen, ein Kompromiß,
das die Vorlage gründlich und zwar im Sinne der Ultramontanen
umgestaltet. Die Ultramontanen triumphieren darüber. Die Re-
gierung ist jedoch vorerst noch keineswegs mit dem Kompromiß ganz
einverstanden und die Ansicht, daß es auf ihre Anregung geschlossen
worden sei, ist ungegründet. Doch hoffen die Konservativen ent-
schieden auf ihre endliche Zustimmung.
Das Kompromiß und die Wahrscheinlichkeit seiner Annahme seitens
der Regierung beleuchtet grell die total veränderte Lage der Dinge seit dem
Rücktritte Falks. Vor einem Jahrzehnt war als der künftig leitende Grund-
satz der preußischen Kirchenpolitik die auch der Kirche gegenüber zu wahrende
Souveränetät der staatlichen Gesetzgebung aufgestellt und in den Maige-
setzen durchgeführt worden. Nur auf diesem Wege glaubte die Regierung
gegenüber den klerikal-ultramontanen Bestrebungen die innere und äußere
Autorität des Staates genügend aufrecht erhalten zu können. Diese Rich-
tung ist mit dem in den letzten siebziger Jahren vollzogenen Wechsel des
Systems an leitender Stelle verlassen und die Herstellung des kirchenpoliti-
schen Friedens auf veränderten Wegen versucht worden. Da sich die liberale
Partei weigerte, die von der Regierung für nötig erachteten Konsequenzen
der neuen Ausgleichspolitik zu ziehen, so können die legislatorischen Akte,
welche zur Befriedigung der für unabänderlich gehaltenen Ansprüche des
Zentrums und der Kurie nötig sind, nur durch das Zusammenwirken der
Konservativen mit der klerikalen Partei ins Werk gesetzt werden. Auf diesem
Wege ist nun auch das neuste Kompromiß zwischen den führenden Persön-
lichkeiten der beiden Parteien abgeschlossen worden. Für das Zentrum
führten Windthorst und Frhr. v. Schorlemer-Alst die Unterhandlungen; die
Konservativen waren durh Frhrn. v. Hammerstein und Hrn. v. Köller ver-
treten. Über die Unterhandlung gibt die „Kreuzztg. folgenden, da ihr