80 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 30—31.)
Jubelfeier abgelehnt, weil sie ihren katholischen Charakter ganz verloren
habe, dagegen dieselbe Summe zu Stipendien bewilligt. Beim Etat der
humanistischen Gymnasien dreht sich die Debatte hauptsächlich um den von
der Ausschußmehrheit gestellten Bittantrag an die Krone, wonach der Ge-
schichtsunterricht in der Regel nach Konfessionen erteilt werden soll. Kultus-
minister Dr. v. Lutz erklärt denselben nicht für annehmbar, sowohl wegen
seiner Undurchführbarkeit als wegen Mangels eines bezüglichen Bedürfnisses.
Der Antrag wird durch die Mehrheit der Rechten angenommen, dann der
Etat der humanistischen und Realgymnasien nach den Ausschußanträgen erledigt
und dem auf die Reduktion der Zahl der Realgymnasien, sowie auf die
Aufhebung des Gymnasiums in Speyer gerichteten Bittantrag mit schwacher
Mehrheit zugestimmt. Die Position für die Akademie der Wissenschaften
wird bewilligt. Dagegen werden die gewaltigen Abstriche an den Lehrer-
bildungsanstalten nach den Anträgen des Ausschusses und des Referenten
Rittler von der ultramontanen Mehrheit durchgesetzt. Bei der Position
„Zuschüsse zu Volksschulen“ beschwert sich Abg. Triller über ein in Mittel-
franken eingeführtes Lesebuch, dessen Inhalt Haß gegen die katholische Kirche
zu erregen geeignet sei. Regierungskommissär v. Auer konstatiert jedoch,
daß das fragliche Buch vor der Einführung dem Ordinariat, wie dem Kon-
sistorium mitgeteilt, jedoch von keiner Seite eine Erinnerung erhoben worden
sei. Abg. Haus gibt den Wunsch kund, daß den Lehrern die Beteiligung
an den Freimaurerlogen verboten werde. Der Kultusminister erklärt, daß
die Freimaurer sich dem Vereinsgesetz unterworfen haben, insbesondere ihre
Mitglieder anzeigen und deßhalb ein Verbot nicht gerechtfertigt sein würde.
Schels bezeichnet dagegen ein solches Verbot aus religiösen und politischen
Gründen als wünschenswert, weil das Freimaurertum eine gewichtige Macht
zur „Verpreußung“ sei. Bei den Bauaus- gaben wird das vom Aus- schuß
befürwortete Postulat von 100.000 Mark für ein zweites Gymnasium in Würz-
burg mit sehr großer Majorität abgelehnt, nachdem der Kultusminister auf
das von der Rechten gestellte Verlangen, das neue Gymnasium als katholisch
konfessionell zu erklären, erwiedert hatte, daß er von rechtswegen und als
Rechtsnorm eine solche Erklärung nicht abgeben könne, wenn er auch nach
Tunlichkeit bemüht sein werde, protestantische Lehrkräfte an die neue An-
stalt nicht zu berufen. Der Kultusetat ist damit erledigt.
30. März. (Deutsches Reich.) Der Reichskanzler läßt den
Regierungen die Anzeige zugehen, daß das Tabakmonopol am 15.
April im Bundesrat zur Verhandlung kommen werde.
30. März. (Württemberg.) Schluß der württembergischen
Landesausstellung. Die öffentliche Meinung ist mit dem Resultat
und der Anerkennung, welche sie überall auch im Auslande gefun-
den hat, sehr zufrieden, und die Ansicht gewinnt immer mehr Raum,
daß auch der Export durch derartige Landesausstellungen mehr ge-
fördert werde, als durch allzu häufige Weltausstellungen, ganz ab-
gesehen von dem Wetteifer und von dem Ansporn, den sie dem
innern Konsum gewähren.
30—31. März. (Preußen.) Abg.-Haus: Debatte über die
kirchenpolitische Vorlage der Regierung. Das konservativ-ultramon-
tane Kompromiß vom 29. d. M. (Antrag Rauchhaupt) gelangt