Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 26.) 89 
Modifikationen und verwirft den Antrag Büchtemann (Fortschr.) 
auf Einsetzung einer permanenten Eisenbahnkommission zur Über- 
wachung des Tarifwesens. Der erst nachträglich eingebrachte An- 
trag der Regierung auf Ankauf auch der Anhaltischen Eisenbahn 
für den Staat wird genehmigt. 
26. April. (Bayern.) II. Kammer: die ultramontane Mehr- 
heit beharrt definitiv gegen die I. Kammer auf ihrer Streichung 
der kleinen Ministerialdispositionsfonds trotz eines warmen Appells 
des Finanzministers, daß sie ja nur zu dringenden Unterstützungen 
verwendet würden, und läßt sich auch die Wiedererhöhungen der 
Positionen für Bildung und Erziehung seitens der lI. Kammer nur 
teilweise gefallen. 
Die Kammer erledigt das Finanzgesetz mit 143 gegen 7 Stim- 
men. Die ursprünglich von der Regierung ins Auge gefaßte starke 
Erhöhung der direkten Steuern ist bis auf eine kleine Summe be- 
hufs Herstellung des Gleichgewichts im Budget durch die starken 
Ersparungen und Abstriche der Mehrheit vermieden worden. Dem 
Votum geht indeß noch eine neue Debatte seitens der ultramontanen 
Rechten über die Frage der Steuerverweigerung voraus: 
Schels lultram.): Er werde zum Finanzgesetze „Nein!“ sagen und 
damit der Regierung das Budget verweigern. Im Jahre 1851 habe dies 
die gesamte Linke auch getan und im Jahre 1876 auch die Abgg. Dr. Rittler 
und Dr. Schäfler. Nun haben neulich die Abgg. Kopp und Dr. Rittler die 
 Opportunität dieses Vorgehens bezweifelt; wenn dies der Abg. Kopp tue, 
so verweise er denselben auf den Abg. Dr. Rittler; der werde ihn belehren. 
(Heiterkeit.) Redner könne nicht verhehlen, daß seine Opposition etwas ab- 
geschwächt worden sei durch die Abstimmung der Regierung in der Tabak- 
monopolfrage; er begrüße dieses Votum und hoffe, daß die Regierung auf 
dem betretenen Wege verharre. Er habe für den Abstrich der Dispositions- 
fonds so lange gestimmt, als er hoffte, daß etwas erreicht werde; nachdem 
aber die Opposition dahin zusammengeschmolzen sei, daß sie sich, wie heute 
ein Abgeordneter gesagt, nur noch gegen Bettler richte, gehe er nicht mehr 
mit. Das Budget verweigere er, weil sich die Regierung in der zweiten 
Kammer einer erheblichen Mehrheit gegenüber befinde; auch die Linke, auf welche 
sich die Regierung  bisher mit Berechtigung stützte, auch diese Stütze sei schwan- 
kend geworden. Die Regierung habe allerdings einige Konzessionen gemacht; 
prinzipiell aber sei sie fest auf ihrem Standpunkte geblieben; sie habe sich nur 
von Opportunität leiten lassen, weil seit dem traurigen Schusse Robilings von 
Norden eine konservative Strömung gehe, gegen welche sich auch die bayeri- 
sche Regierung nicht ablehnend habe verhallen können. Dieser Zustand 
müsse geändert werden, und das könne nur geschehen, wenn die Regierung 
zurücktrete oder die Kammer auflöse. Kopp (ultram.): Die Äußerungen 
des Abg. Schels veranlassen mich zu einer kurzen Erwiederung. Nicht 
Opportunitätsgründe bestimmen uns, dem Finanzgesetze zuzustimmen, sondern 
wir meinen, daß eine Ablehnung  desselben verfassungsmäßig nicht zulässig 
sei. Der Abg. Schels stellt sich auf einen Standpunkt, den allerdings die
	        
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