Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

104 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 30.) 
Innungsgesetz vom 18. Juli 1881 und die fakultativen Innungen 
bis Ende 1885 auszunützen und bis zu Ablauf dieser Frist von 
allen weiteren Anträgen auf Abänderung der Gewerbeordnung, mit 
Ausnahme der Einführung von Legitimationen für Arbeiter jeden 
Alters und Berufes, Abstand zu nehmen, ab, und beschließt dagegen 
mit 252 gegen 54 Stimmen: 
„Die in letzter Zeit ins Leben getretenen gesetzlichen Bestimmungen 
über das Innungswesen, sowie das in Folge derselben herausgegebene 
Normal-Innungsstatut können den deutschen Handwerkertag nicht veranlassen, 
von seiner „Forderung der Abänderung der deutschen Gewerbeordnung ab- 
zulassen. Der allgemeine deutsche Handwerkertag erklärt, daß nur von 
einer vollständigen Revision der Reichs-Gewerbeordnung Hilfe zu erwarten 
ist, wenn diese Revision nach folgender Richtung geschieht: 1) Jeder selbst- 
ständige Handwerker ist verpflichtet, der am Ort oder im Bezirke be- 
stehenden Fachinnung beizutreten; dieselbe ist mit Beitritts- und Beitrags- 
pflichten auszustatten. 2) Die Berechtigung zum Betriebe eines Handwerks 
ist abhängig zu machen von dem Beitritt zu einer für das gleiche oder ver- 
wandte Gewerbe bestehenden Innung und der vorher bestandenen, durch 
Gesetz eingeführten obligatorischen Meisterprüfung. 3) Die Pflicht 
zur Führung eines Arbeitsbuches wird auf alle Gesellen, Gehilfen etc. 
ausgedehnt, ohne eine Altersgrenze festzusetzen. Die Erteilung ist abhängig 
zu machen von der vorher bestandenen  obligatorischen Gesellen- 
prüfung  und einer ordnungsmäßig zurückgelegten Lehrzeit. 4) Dem 
Handwerk ist durch die Einführung von Handwerkerkammern eine legi- 
tlime Vertretung und obere Aufsichtsbehörde zu geben. Nur auf solcher 
Grundlage können mit obligatorischen Rechten ausgestattete Innungen eine 
heilsame Wirkung ausüben und den deutschen Handwerkerstand befähigen, 
den an ihn gestellten Anforderungen gerecht zu werden. Wenn der Hand- 
werkerstand die Bildung von Innungen auf Grund der bestehenden gesetz- 
lichen Bestimmungen nicht von der Hand weist, geschieht dies in der Hoff- 
nung, durch die hiedurch erzielte engere Verbindung die oppositionelle 
Tätigkeit zu kräftigen und an der Hand der vorgesetzten Behörden den 
Beweis zu liefern, daß auf solche Weise die gewünschten Erfolge niemals 
erzielt werden können, und unter der festen Erklärung, die nun seit 
einer langen Reihe von Jahren aufrecht erhaltene Opposition gegen das jetzt 
zu Recht bestehende Gewerbegesetz so lange energisch fortzuführen, bis die 
gerechten Forderungen des deutschen Handwerkerstandes Erfüllung gefunden 
haben." 
Die Gegner der Zwangsinnungen läugnen ihrerseits nicht, daß 
der Magdeburger deutsche Handwerkertag seit vielen Jahren zum ersten- 
male wieder das Bild einer einigermaßen imposanten Handwerkerversamm- 
lung darbot. Wohl hätten auch die extremsten Redner anerkannt, daß an 
einen sofortigen Übergang zu Zwangsinnungen schon im Hinblick auf die 
parlamentarische Lage nicht zu denken sei, und man habe es nicht abgelehnt, 
mit dem Innungsgesetz des vorigen Jahres einstweilen einen Versuch zu 
machen (allerdings unter der ausdrücklichen Erklärung, daß man dies nur 
deshalb tue, um auch der Regierung die gänzliche Zwecklosigkeit eines 
solchen Versuches ad oculos zu demonstrieren); aber Kern und Wesen der 
gefaßten Beschlüsse ruhen darin, daß die obligtkorische Innung als die ein- 
zige Möglichkeit, zu einer brauchbaren Organisation des Handwerkerstandes 
zu gelangen, bezeichnet wurde. „Die große Hauptschwierigkeit, wieder
	        
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