110 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 12—15.)
nopol an sich ein Übel ist, und daß es sich bei seiner Einführung wie bei
jeder neuen Steuer, ja selbst wie bei jeder Reform, zunächst nur darum
handelt, ob es nicht andere Übel gibt, im Vergleich mit denen das Monopol
das kleinere ist. Wenn man diese Institution an sich betrachtet, ohne Rücksicht
auf den Zweck, dem sie dienen soll, so stellt man sie in ein unvorteilhaftes,
ich möchte sagen ungerechtes Licht, was sie nicht ertragen kann. Für die
Reformen, welche die Regierung erstrebt, ist das Monopol nur Mittel, nicht
Zweck; aber die finanziellen Reformen, welche den Zweck der Reichsregierung
und — ich kann sagen — der verbündeten Regierungen bilden, sind dadurch
besonders erschwert, daß die Verwendung der Beschlußfassung der Landtage
unterliegt, die Beschaffung der Mittel der Beschlußnahme des Reichstags.
Es entsteht dadurch für die Gegner der Regierung eine Art von Zwickmühle,
hier im Reichstage, wenn eine Bewilligung gefordert wird, zu sagen: wir
können nichts bewilligen, wovon die Verwendung nicht nachgewiesen und
sichergestellt ist, — und im preußischen Landtage oder in anderen Landtagen
zu sagen: wir können nicht über die Verwendung von Mitteln verfügen, so
lange die Mittel nicht bewilligt sind. Daß man so von Pontius zu Pilatus
geschickt wird und mit der Reform nicht vorwärls kommt, das liegt auf der
Hand, und diese Schwierigkeit ist von den Gegnern der Regierung redlich aus-
gebeutet worden. Um ihr zu entgehen und den Widerstand, auf den wir bei der
Durchführung der Reform stoßen, einigermassen zu paralysieren, ist die Ge-
meinschaftlichkeit der kaiserlichen und der kgl. preußischen Regierungsquelle be-
nutzt worden, um gleichzeitig in einer Saison eine Vorlage in dem preuß. Land-
tage — einem Landtage, der immerhin die Majorität der Reichsangehörigen,
27 Millionen, repräsentiert — die Bedürfnisfrage erörtern zu lassen, und in
derselben Saison nach Erörterung der Bedürfnisfrage, auf welche gerechnet war,
den Reichstag um irgend eine Bewilligung anzugehen. Diese Vorlage mußte
notwendig eine konkrete Form haben, wir konnten nur irgend eine reichen Er-
trag bietende indirekte Steuer wählen. Der primus inter pares unter diesen ist
uns immer erschienen das Tabakmonopol für das Reich, als dasjenige, welches
die zweckmäßigste, wie die Botschaft sich ausdrückt, glaube ich, die wirksamste
Finanzquelle bildet. Wir waren in der pflichtgemäßen Notwendigkeit, Ihnen
zunächst das beste unter den Mitteln, die wir kennen, vorzulegen, und erst
nach dessen Ablehnung können wir zu den minderwertigen Surrogaten be-
hufs Beschaffung neuer Einnahmequellen schreiten. Wir brauchen Ihre Ab-
lehnung, um unsere Verantwortlichkeit für die Zukunft zu decken, damit
man uns nicht später, wenn das Monopol dennoch vielleicht von einer an-
deren Regierung — ich meine einer anderen Reichsregierung — gebracht wird,
sagt: die damalige Regierung unter dem ersten Reichskanzler hat die Thor-
heit begangen, dieses Mittel nicht von Hause aus vorzuschlagen. Die Ver-
antwortlichkeit, es nicht vorgeschlagen zu haben, wollen wir nicht auf uns
ruhen lassen, die wollen wir auf die Majorität dieses Reichstages abschieben,
und dann werden wir in Ruhe sagen: darum keine Feindschaft; aber wir
brauchen Ihre Ablehnung, bevor wir zu minder guten Vorlagen schreiten.
— Bei der Klarstellung des Bedürfnisses hat nun der preußische Landtag
seine Landesregierung vollständig im Stich gelassen, er hat sich der Er-
örterung entzogen, er hat gewissermaßen Strike gemacht, mit Rücksicht auf
die Jahreszeit, mit Rücksicht auf die Parallelsitzungen der verschiedenen Land-
tage, kurz und gut, sachlich ist kein Grund zu ersehen, warum diese Körper-
schaft eine für das preußische Land so tiefgreifende, so wichtige Frage, wie
diejenige, ob unser direktes Steuersystem der Reform bedürftig ist oder nicht,
der Erörterung nicht hat unterziehen wollen, sondern in wenigen kurzen
Sitzungen und mit einer fast stürmischen Forderung auf Schluß sich der
weiteren Diskussion entzogen und die kaiserliche Regierung dadurch in die