122 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 12 —15).)
möchte behaupten und glaube keinen Widerspruch zu erfahren von Seiten
der Vertreter der Regierung, daß in den nächsten Jahren, wenn nicht ganz
ungünstige wirtschaftliche und sonstige Verhältnisse eintreten, wenn normale
Zustände auf wirtschaftlichem Gebiete zurückgekehrt sind, wie sie sich ja seit
einigen Jahren schon in der Besserung befinden, die von selbst steigenden
Einnahmen des Reichs auch für diese Matrikularbeiträge im weiteren Sinne
vollen Ersatz gewähren werden. Meine Herren, es handelt sich also mit
einem Worte, wenn man so weit gekommen ist, finanziell das Reich so zu
sagen, selbständig zu stellen, darum, ob die Not und Sorge in den Finanzen
der einzelnen Staaten so groß ist, ob schon in dem größten Einzelstaate, in
Preußen, die Not so groß ist, ob dies Bedürfnis sich auch schon so klar
herausgestellt hat in der übereinstimmenden Anerkennung aller gesetzgebenden
Faktoren, daß schon jetzt neue Reichsmittel und zwar in ganz ungemein
großen Summen dafür in Anspruch genommen werden müssen. Und das
ist es, was meine Freunde und ich bestreiten. Wir sagen: wir wollen, wie
wir im vorigen Jahre erklärt haben, was ich verlesen habe, zunächst ab-
warten, was in normalen Verhältnissen und nachhaltig die Bewilligungen
von 1879 und 1880 ergeben. So lange das nicht feststeht, kann man nicht
mit Sicherheit sagen, ob für die Bedürfnisse der Einzelstaaten, speziell in
Preußen, dasjenige ausreicht, was demnächst vom Reiche dahin weiterfließen
wird. Ich sage, obwohl ich mich hier gewissermaßen entschuldigen muß,
daß ich den Reichstag belästige mit Unterhaltungen, die mehr in den preuß.
Landtag gehören, — ich sage, nachdem einmal diese Erörterungen solchen Um-
fang angenommen haben und nachdem ein innerer Zusammenhang auch nicht
zu verkennen ist — das Entscheidende der Frage ist vor allem, welches Be-
dürfnis für Reformen an Staats- oder Kommunalbesteuerung in Preußen ist
vorhanden, und ist über dieses Bedürfnis soweit eine Einigkeit herbeigeführt
unter den preußischen gesetzgebenden Faktoren, daß man sagen kann, hier
muß schleunig gebessert werden, die Mittel in dem und dem Umfange un-
gefähr sind erforderlich, die preußischen direkten Steuern können das unter
keinen Umständen leisten, wir müssen das Reich mehr als bisher in An-
spruch nehmen? Daß diese Voraussetzungen und daß sie namentlich in ihrem
Zusammenhange jetzt schon vorhanden sind, daß sie überhaupt in der nächsten
Zeit vereinigt vorhanden sein werden, das bestreite ich auf das allerentschie-
denste. Das gerade ist der Unterschied in der Auffassung, die hier stattfindet,
zwischen uns und den Vertretern der Reichsregierung. Das ist das eigent-
liche punetum saliens, von wo aus die Entscheidung getroffen werden muß.
— M. H.H., hinsichtlich der Rückwirkung der Reichsfinanzen auf die preußi-
schen Finanzen konnte es vor einigen Jahren ja keinem nachdenkenden Ab-
geordneten in Preußen und im Reiche irgend im Zweifel sein, auch nicht
über die Wichtigkeit und die Bedeutung, zeitig Fürsorge zu treffen, wie das
zu behandeln sei, was durch die bevorstehende Gesetzgebung aus dem Reiche
demnächst nach Preußen fließen würde, — daß dies die Veranlassung gewesen,
daß im Winter 1878/ 79, wo man mit Sicherheit oder wenigstens mit großer
Wahrscheinlichkeit voraussehen konnte, daß neue Bewilligungen an Zöllen
und Steuern im Reiche im stande sein würden, die preußischen Finanzen
zu erleichtern, daß man da im Landtage den Beschluß gefaßt und eine Zu-
stimmung der Staatsregierung herbeizuführen sich bemüht hat, die sicher-
stellen sollte, daß dem preußischen Landtag die erforderliche Einwirkung auf
Steuererleichterungen in Betreff dieser vom Reiche an Preußen zu über-
weisenden Summen gesichert werde Es war, meine H.H., — ich sage das
vorzugsweise für diejenigen, die mit der preußischen Verfassungsgeschichte
praktisch vertraut sind — es war angesichts der Bestimmung des § 109
preußischen Verfassung und seiner Geschichte gar keine leichte Aufgabe, indem