Das deuische Reich und seine einzeluen Glieder. (Juni 12.—15.) 123
die Lösung dieser Frage mit allen möglichen Erinnerungen sogar aus den
schlimmsten Zeiten und den höchstgehenden Wogen des Konfliktes zusammen-
hing. Es ist ein großes Verdienst des damaligen preußischen Finanzministers
Hobrecht gewesen, daß er hierüber eine Übereinstimmung der Regierung und
des Landtages herbeigeführt hat. Die Forderung, welche der Landtag da-
mals stellte, war, an und für sich betrachtet, und wenn man nicht auf die
berührten verfassungsmäßigen Schwierigkeiten mit ihrem großen historischen
Konfliktshintergrunde Rücksicht nahm, eine einfache. Man sagte sich im Ab-
geordnetenhause, wenn wir durch künftige Zuwendungen aus dem Reiche in
dem preußischen Etat mehr Geld haben, als wir zur Bestreitung unserer
Jahresbedürfnisse gebrauchen, dann kann uns nicht genügen, was gesetzlich
damals in Preußen feststand, daß diese überflüssigen Gelder verwendet werden
zur Schuldentilgung, da für diese schon hinreichend gesorgt war, und eine
weitere Tilgung nur unseren Kindern und Enkeln zu gute kommen würde, und
nicht unserer Zeit. Wir haben also damals erklärt, wir wünschen für den
Fall, daß in den einzelnen Jahren mehr Geld vorhanden ist, als für unsere
Ausgaben erforderlich ist, daß man sich zunächst darüber schlüssig mache, ob
nicht eine Erleichterung einzutreten habe, indem ein altes Projekt der libe-
ralen Parteien ausgeführt werde, nämlich daß ein Teil der Grund- und
Gebäudesteuer den Kommunen überwiesen werde. Ist auch das nicht aus-
führbar, oder einigt man sich darüber nicht, dann soll das Geld, was in
Preußen im einzelnen Jahre nicht verwendet wird, ausgegeben werden zur
Erleichterung der Klassen und Einkommensteuer, indem da bestimmte Steuer-
erlasse nach Monatssimplen vorgenommen werden. Man hatte, nachdem am
14. Februar 1879, den Anträgen des Hauses der Abgeordneten entsprechend,
der Finanzminister Hobrecht eine Kabinetsordre oder eine königliche Ermäch-
tigung hatte mitteilen können, welche diesen Wünschen gerecht wurde, und
nachdem das Abgeordnetenhaus sich dankbar mit dieser königlichen Ermäch-
tigung in Übereinstimmung erklärt hatte, eine feste Grundlage gewonnen,
auf der man nach und nach diese Verhältnisse ausbauen konnte, auf der
nach und nach, in fortschreitender näherer Untersuchung der Reformbedürftig-
keit der staatlichen und kommunalen Steuerverhältnisse in Preußen. die aus
dem Reiche fließenden Mittel auch die richtige Verwendung für die drin-
gendsten Steuererleichterungen in Preußen gefunden haben würden. Es hat
auch der Nachfolger des Herrn Ministers Hobrecht durch das Verwendungs
gesetz, welches unterm 16. Juli 1880 publiziert worden ist, der Herr Finanz-
minister Bitter, dieses Abkommen vom Februar 1879 in der Art, wie ich
vorhin bezeichnet habe, zum gesetzlichen Abschluß gebracht, wonach, soweit
die aus dem Reiche fließenden Gelder nicht verwendet werden müssen zur
Deckung der Ausgaben, soweit man sie nicht verwenden will zur Erleichte-
rung der Kommunen durch Überweisung von Teilen der Grund- und Ge-
bäudesteuer, ein Erlaß an den direkten Steuern gesetzlich einzutreten hat.
Damit war nach unserer Auffassung eine sichere Grundlage gewonnen. —
Nun wäre es Aufgabe der preußischen Finanzverwaltung und der preußi-
schen Gesetzgebung gewesen, auf dieser Basis weiter zu bauen, die Steuern
und Steuerbedürfnisse des Staats und der Kommunen einer sorgfältigen
Prüfung zu unterziehen, um festzustellen, wo die bessernde Hand anzulegen
war durch Reform in Preußen selbst, und wie weit man etwa auf neue
Reichsmittel greifen müßte. M. H.H., das ist auch damals zunächst geschehen
von der preußischen Finanzverwaltung. Noch im Jahre 1880 hat der da-
malige preußische Finanzminister, Herr Bitter, einen Reformgesetzentwurf
ausarbeiten lassen, sowohl für die Klassen- und Einkommensteuer, als auch
für die Gewerbesteuer, und im Winter 1880/81 ist dieser Entwurf den
Provinzialbehörden zur Begutachtung mitgeteilt. Mir ist dieser Entwurf