Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 7—10.) 145 
Lager bezieht sich jedoch nicht sowohl auf die Frage der wissenschaftlichen 
Staatsprüfung, sondern auf die Ausführung des Bischofsparagraphen, d. h. 
auf die Zurückberufung der Bischöfe; aber gerade darüber schweigt die Re- 
gierung. 
7. Juli. (Deutsches Reich.) Hr. Burchard, bisher Di- 
rektor im Reichsschatzamt, wird an die Stelle von Scholz zum 
Staatssekretär des Reichsschatzamtes ernannt. 
8. Juli. (Preußen.) Die widerspenstige Handelskammer 
von Görlitz wird vom Reichskanzler als preuß. Handelsminister 
zwar nicht, wie er gedroht hatte, aufgelöst, aber doch dahin gemaß- 
regelt, daß sie „ihrer amtlichen Funktionen in der Staatsverwaltung 
enthoben wird und weiter keinen Anspruch auf eine Mitwirkung der 
Staatsbehörden bei Erledigung ihrer Angelegenheiten haben soll“. 
10. Juli. (Deutsches Reich.) Die Jahresberichte der Han- 
delskammern für 1881 sind nunmehr fast alle gedruckt erschienen. 
Die große Mehrzahl derselben spricht sich mit mehr oder minder 
Entschiedenheit gegen die seit 1879 eingetretene Umkehr in der Han- 
delspolitik des Reiches namentlich im Interesse des Exportes aus. 
Die Handelskammer von Kassel z. B. meint: „Die erhöhte Mauer, 
die durch den neuen Zolltarif um unsere Grenzen gezogen wird, schließt 
nicht nur ausländische Waren vom Inlande, sondern auch unsere Waren 
vom Auslande ab, und darin erblicken wir eine schwere Gefahr für unsere 
wirtschaftliche Entwicklung. Wir können daher nur im Interesse des durch 
uns vertretenen Bezirks wiederholt unsere Stimme dafür erheben, daß an 
maßgebender Stelle möglichst bald der Weg der Verständigung mit den uns 
benachbarten Staaten eingeschlagen werde, um durch Handels- verträge den 
Verkehr mit dem Auslande zu erleichtern und die unserer Industrie drohen- 
den Gefahren zu beseitigen.“ Die Handelskammer von Bielefeld bemerkt 
unter andern: "Das Schutzzollsystem, welches der Gesamtheit des Volkes 
nach unserer Überzeugung keinen Vorteil bringen kann, verschiebt die Grund- 
lage der einzelnen Produktionszweige derart, daß immerhin einzelne In- 
teressentenkreise auf Kosten des Volkshaushalts Vorteile erlangen können, 
sofern nur die Ausbeutung des inländischen Marktes in Frage steht. Da 
nun, wenn die natürliche Basis der Verhältnisse künstlich verändert wird, 
keiner unter die Geschädigten gehören will, so folgt aus dem Schutzgoll- 
system ein sich in den Forderungen nach Begünstigungen auf dem einheimi- 
schen Markt von den verschiedensten Seiten überbietender, unabsehbarer In- 
teressenkampf, der häufig über dem eigenen Vorteil den allgemein wirtschaft- 
lichen Zweck vergißt. Diese bedenkliche Seite der Schutzzölle verdient neben 
den durch die letztern veranlaßten Benachteiligungen des Exports in hohem 
Maße Beachtung.“ Die Handelskammer von Nürnberg erklärt: „Die ver- 
hältnismäßige Kürze des Bestehens des neuen deutschen Zolltarifs gestattet 
kaum schon die Frage, ob seine Einführung dem Deutschen Reiche mehr zum 
Vorteil oder Nachteil gereichte, endgültig zu beantworten; es kann auch 
nicht unberücksichtigt bleiben, daß diese Frage vom kommerziellen Standpunkt 
allein sich nicht wird lösen lassen, sondern hier auch politische Gesichtspunkte 
vielfach hereinspielen, zu deren Berührung die Kammer weder Veranlassung 
hat, noch auch zuständig ist. Anders dagegen gestaltet sich die Sache vom 
Schulthess. Europ. Geschichtskalender. XXIII. Bd. 10
	        
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