Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

148 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 24-27.) 
folgende Garantien gibt: a) eventuell einzutreten für Wiederherstellung 
der aufgehobenen §§ 15, 16 und 18 der Verfassung: b) eventuell für eine 
prinzipielle Revision der Maigesetze; c) in specie für die Forderung der 
Straffreiheit der Spendung der Sakramente und des Messelesens, sowie für 
Aufhebung des kirchenpolitischen Gerichtshofes. Jede Unterstützung 
nationalliberaler und freikonservativer Kandidaten ist abso- 
lut ausgeschlossen.“ 
21—27. Juli. (Deutsches Reich.) Vierter deutscher Lehrer- 
tag in Kassel. Der preußische Kultminister hat den preußischen 
Lehrern neuerdings wie schon im vorigen Jahre den dazu erforder- 
lichen Urlaub verweigert und es finden sich daher zu demselben nur 
gegen 600 Delegierte und Teilnehmer ein. Es wird die Frage 
diskutiert, ob die Schule Staats- oder Kommunalanstalt sein solle. 
Die Versammlung spricht sich, jedoch mit geringer Mehrheit, für 
das erstere aus. 
25. Juli. (Preußen.) Der vom Papst ernannte neue Fürst- 
bischof Herzog von Breslau entspricht den vom Staate in ihn gesetzten 
Hoffnungen oder Erwartungen einer gemäßigten und versöhnlichen 
Gesinnung, weshalb er auch von der Regierung als persona grata be- 
zeichnet worden war, sehr wenig, zunächst bez. der sog. Staatspfarrer. 
In einem Schreiben an die Staatspfarrer seiner Diözese erklärt er 
denselben kurz und schneidend, daß sie „nach dem Trientiner Konzil der 
schweren Zensur des Anathema verfallen seien, weshalb er ihnen befehle, 
das von ihnen usurpierte Amt sofort niederzulegen und sich jeder Amts- 
handlung und geistlichen Funktion zu enthalten.“ Zugleich erläßt er ein 
Schreiben an den Kirchenvorstand in Geschnitz, wonach der Weltpriester 
Sterba aufgefordert werden soll, die Pfarrei zu verlassen. Der Schritt des 
neuen Bischofs macht großes Aufsehen. Das neueste kirchenpolitische Gesetz 
hat allerdings das Institut der Staatspfarrer beseitigt, selbstverständlich 
aber doch nur für die Zukunft. Die übrigen nicht zahlreichen, bisher ge- 
wählten und eingesetzten Staatspfarrer wurden dies nach dem Willen und 
unter dem Schutze der Staatsgewalt und haben erworbene Rechte, von denen 
der Erlaß des Bischofs gar nicht spricht. Einer derselben kriecht indes so- 
fort zum Kreuze; die anderen dagegen zögern und einer von ihnen droht 
dem Bischof mit der Berufung an den staatlichen Kirchengerichtshof. 
27. Juli. (Preußen.) Hänel, der Führer des rechten Flü- 
gels der Fortschrittspartei, versucht auf einem Parteitage der hol- 
steinischen Liberalen zu Neumünster, ein Zusammengehen der ver- 
schiedenen liberalen Gruppen gegen die Konservativen bei den be- 
vorstehenden preußischen Landtagswahlen zu Stande zu bringen. 
Die Versammlung geht auf seinen Vorschlag ein und beschließt: 
Die Versammlung der Vertrauensmänner der liberalen Partei in 
Schleswig- Holstein, getreu ihren bisherigen Bestrebungen, erklärt in Rück- 
sicht auf die bevorstehenden Wahlen zum preußischen Landtage: 1) Es ist 
die erste und oberste Aufgabe aller liberalen Parteien, diejenigen Wahlkreise 
zu gewinnen, welche von den konservativen Parteien besetzt sind. 2) Es ist
	        
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