Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Ende Juli — Aug. 2.) 149 
demgemäß erforderlich, unter allen Liberalen, welche in diesem Zielpunkte 
übereinstimmen, eine Verständigung herbeizuführen und entstehende Streit- 
punkte auf gütlichem Wege auszugleichen. 3) Der Ausschuß der liberalen 
Partei ist beauftragt, unbeschadet der vollen Selbständigkeit der Kreise, in 
dien Sinne zu wirken und auf Erfordern seine Vermittlung eintreten zu 
lassen.“ 
Der Beschluß entspricht durchaus den Bestrebungen der Se- 
zessionisten für die Herstellung einer „großen liberalen Partei“ und 
auch die Nationalliberalen der Provinz bieten zur Ausführung des- 
selben die Hand. Der Führer des linken Flügels der Fortschritts- 
partei Eugen Richter ist jedoch entschieden gegen den Beschluß und 
will von einem Zusammengehn mit den Nationalliberalen nichts 
wissen. Auch Virchow ist nicht dafür, bezeichnet die letzteren als 
„Dämmerungsliberale“ und will mit dem Gedanken verschont wer- 
den, eine große Phalanx zu bilden, in welcher alle liberalen Diffe- 
renzen „verkleistert“ werden. Richter seinerseits bezeichnet die „große 
liberale Partei“ als den „großen liberalen Brey“. 
Ende Juli. (Preußen.) Die Landräte veröffentlichen auf 
Grund ministerieller Weisungen folgende Bekanntmachung bez. der 
vom Reichskanzler fortwährend gegen die direkten Steuern so ener- 
gisch hervorgehobenen Steuerexekutionen: 
„Das Finanzministerium hat auf die Rotwendigkeit der Ein- 
schränkung der direkten Staatssteuern auf das durch das Staats- 
interesse wirklich gebotene Maß und die Abstellung der Häufung nutz- 
loser Exekutionsmaßregeln hingewiesen. Zur Verminderung unnötiger 
Pfändungen wird hauptschächlich beitragen: 1) eine genaue und vorschrifts- 
mäßige Ausführung der über die Klassensteuerveranlagung  erlassenen Vor- 
schriften, namentlich die Freistellung aller derjenigen Personen, deren Ein- 
kommen nicht zweifellos den Satz der ersten Stufe erreicht, sowie solcher 
Personen, bei denen die Uneinziehbarkeit der Steuern schon durch früher ge- 
machte Erfahrungen festgestellt ist; 2) durch Bewilligung zeitweiser Stun- 
dungen in denjenigen Fällen, in denen nur zeitweise Zahlungsunfähigkeit 
vorliegt; 3) durch Einführung der vierteljährigen Erhebung der Steuern — 
eine Maßregel, welche sich in denjenigen Kreisen, in denen dieselbe eingeführt ist, 
bewährt hat. Es wird darauf ankommen, die Fälle zu sondern, in denen 
eine wirkliches Unvermögen zur Zahlung vorliegt, von denen, in welchen 
böser Wille angenommen werden kann, und während in den erstgedachten 
Fällen eine möglichst schonende Behandlung geboten ist, wird in den letzteren 
Fällen die Zwangsvollstreckung mit allem Nachdruck zu verfolgen sein. Bei 
den Restanten der Arbeiterbevölkerung, welche sich nicht im Besitze pfand- 
barer Gegenstände befinden, ist zunächst zur Pfändung von Lohnforderungen 
zu schreiten, statt die Pfändung in körperlichen Sachen zu verfügen, die 
voraussichtlich doch nutzlos sein würde.“ 
2. August. (Bayern.) Die Universität Würzburg feiert ihr 
300jähriges Jubiläum mit großem Glanze und unter lebhafter Teil- 
nahme des In- und Auslandes, obgleich die ultramontane Mehr-
	        
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