150 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Aug. 2—5.)
heit der II. Kammer ihr den dazu geforderten Beitrag verweigert
hat, wel sie keine „katholische“ Universität mehr sei.
2. August. (Preußen.) Die „Prov.-Korr.“ regt die Er-
richtung von Provinzial- Volkswirtschaftsräten neben dem bestehenden
Staats-Volkswirtschaftsrat als Gegengewicht gegen die unbequemen
Handelskammern an.
4. August. (Bayern.) Die Kreisregierung versagt dem Be--
schlusse der ultramontanen Mehrheit beider Gemeindekollegien von
München, die sämtlichen bestehenden Simultanschulen aufzuheben, ihre
Genehmigung und hebt bloß jeden Zwang zum Besuche derselben auf.
Die Mehrheit der Gemeindekollegien beschließt, sich gegen die Ver-
fügung beschwerend an das Ministerium zu wenden, was freilich
keine aufschiebende Wirkung hat.
Um den Zweck doch zu erreichen, soll die Frage nun in anderer
Weise angegriffen werden. Eine von dem katholischen Männerverein St.
Stephan einberufene größere Versammlung beschließt, die christlichen Fami-
lienväter zu veranlassen, ihre Kinder für das nächste Schuljahr in möglichst
großer Zahl in die konfessionellen Schulen einschreiben zu lassen, wodurch
diese voraussichtlich übersetzt würden und der Magistrat sich genötigt sähe, in
den Simultanschulhäusern konfessionelle Klassen zu errichten. Dadurch würden
die Simultanschulen selbst allmählich in konfessionelle Schulen umgewandelt.
5. August. (Preußen.) Ein Parteitag der Freikonservativen
in Halle spricht sich gegen eine Verschmelzung mit den Deutsch-
konservativen aus.
Hr. v. Kardorff, einer der angesehensten Führer der Partei, spricht
sich über ihre Stellung dahin aus: Man rufe heutzutage von allen Seiten
den Freikonservativen ein memento mori zu, so daß es angebracht scheine,
zu prüfen, ob die Partei fortbestehen oder zur Ruhe gehen solle. In der
Zeit nach Königsgrätz, als die Nationalgesinnten vom Fortschritt sich los-
gelöst, sei zugleich die kleine freikonservative Fraktion entstanden. Diese
Fraktion, welcher erprobte Parlamentarier durchaus fehlten, sei von allen
Seiten als Fehlgeburt angesehen worden, nur der alte Waldeck habe er-
klärt: Von der Entwiclung und Erstarkung dieser Partei hänge die Ent-
wicklung des konstitutionellen Lebens in Preußen überhaupt ab.“ Die Ziele
der Partei wären gewesen, sich ganz auf den Boden der Verfassung zu stellen,
die nationale Politik Bismarcks zu unterstützen und deshalb Fühlung mit
den Nationalliberalen zu suchen. Trotzdem nun seit 1874 die Deutschkon-
servativen ebenfalls auf dem Boden der Verfassung stehen, existierten doch
bedeutende Unterschiede; vielfach würden Freikonservative willig gewählt, wo
Deutschkonservative gar keine Aussicht hätten. Den Hauptvorteil von einer
Verschmelzung beider würden die Fortschrittler haben; denn dann würden
die Nationalliberalen, wo es zur Stichwahl zwischen einem Linksliberalen
oder Fortschrittler und einem Konservativen komme, ersterem ihre Stimme
geben. Er geht sodann auf die Stellung der Freikonservativen zu den
Steuerfragen ein, und erklärt sich im wesentlichen für das Finanzprogramm
der preußischen Regierung. Zu erhöhen, resp. einzuführen sei die Börsen-,
Tabak-, Getränke- und Rübenzuckersteuer. Auf die Kirchenpolitik übergehend