152 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Aug. 10—15.)
Notwendigkeit entweder zurück zum absolutistischen Staat, oder wir erreichen
eine Parteizerklüftung, welche jede Reform im Innern verhindert und uns
nach außen einflußlos und schwach macht. Andere Länder sollten uns als
warnendes Exempel dienen.“
10. August. (Bayern.) Die kal. Regierung von Oberbayern
lehnt auch das Gesuch der ultramontanen Mehrheit beider Gemeinde-
kollegien von München, den (lib.) städtischen Schulrat Dr. Rohmeder
in den Ruhestand zu versetzen, ab.
In der sehr ausführlichen Begründung des Beschlusses wird nachge-
wiesen, daß dazu auch gar kein stichhaltiger Grund vorgebracht worden sei,
daß der Gemeindeordnung eine Enthebung definitiv angestellter pragmatischer
Gemeindebeamten völlig fremd sei und ferner „alle Wahrnehmungen der kl.
Regierung, sowie der dem Dr. Rohmeder zunächst vorgesetzten Behörde und
selbst die Verhandlungen über den vorwürfigen Antrag in den Gemeinde-
kollegien darin übereinstimmten, daß Dr. Rohmeder stets mit seltener Be-
rufstüchtigkeit und mit hingebender Pflichttreue seines Amtes gewaltet habe.“
11. August. (Deutsches Reich.) Der Kronprinz des deut-
schen Reiches und von Preußen besucht den König Humbert von
Italien in Monza.
12. August. (Preußen.) Der „Reichsbote“, das Organ der
protestantischen Orthodoxen (Stöcker etc.) spricht sich aufs entschiedenste
gegen die Bestrebungen der Mittelparteien aus und ermahnt die
konservative Partei dringend, ein Wahlbündnis mit den Ultramon-
tanen einzugehen und als „konservative Volkspartei“ vorzugehen,
wofür er ihr ein Programm mit einer langen Reihe von Aufgaben
an die Hand gibt.
— August. (Bayern u. Württemberg.) Die durch die
Frankfurter Handelskammer angeregte und von einer Reihe anderer
Handelskammern unterstützte Frage betr. Beseitigung der Übelstände,
welche durch die Verschiedenheit der in den süddeutschen Königreichen
und der im deutschen Reichspostgebiete geltenden Postwertzeichen (Post-
marken) hervorgerufen werden, beschäftigt die öffentliche Meinung
lebhaft.
Die Regierungen der beiden Staaten sowohl als die überwiegende
Mehrheit der öffentlichen Meinung in denselben scheinen wenig geneigt zu
sein, auf das ihnen diesfalls zustehende Reservatrecht zu verzichten, da eine
materielle Entschädigung dafür nicht leicht zu beschaffen wäre und die Übel-
stände der Verschiedenheit stark übertrieben würden. Soweit sie wirklich be-
ständen, könnten sie leicht beseitigt werden, und dazu scheinen die Regierungen
auch bereit zu sein.
15. August. (Preußen.) Auch eine Versammlung von Ver-
trauensmännern der rheinischen Zentrumspartei in Köln beschäftigt
sich mit der Wahltaktik bei den bevorstehenden allgemeinen Land-
tagswahlen und beschließt gleich ihren Gesinnungsgenossen in Schlesien,