Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

154 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Aug. 26 — Ende.) 
Trauung kirchlich erlaubt geschlossen werden. Katholische Brautleute sollen 
deshalb, ehe sie auf das Standesamt gehen, um den Zivilakt zu beantragen, 
sich vorerst mit ihren Taufzeugnissen bei dem Pfarrgeistlichen melden, um 
das kirchliche Aufgebot und die Trauung zu bestellen. Diejenigen Katho- 
liken, welche mit einer bloßen Zivilverbindung vor dem Standesbeamten 
sich begnügen, ohne nachher sich kirchlich trauen zu lassen, werden von der 
katholischen Kirche als christliche Eheleute nicht anerkannt. Sie schließen 
sich dadurch von dem Empfange der heiligen Sakramente und den kirchlichen 
Ehrenämtern als Paten, Trauzeugen, Kirchengemeinde-Vertreter u. dgl. aus; 
ihre Kinder werden kirchlich als unehelich betrachtet, weshalb 
auch die Mutter nach deren Taufe keinen Kirchgang halten darf ebenso 
können bloß Zivil-Verbundene, wenn sie unbußfertig sterben, des kirchlichen 
Begräbnisses nicht teilhaftig werden. Derselben kirchlichen Strafe machen 
jene katholischen Eltern sich schuldig, welche ihre Kinder nicht taufen lassen.“ 
26. August — 1. September. (Deutsches Reich.) Der Kron- 
prinz des Deutschen Reiches und von Preußen inspiziert wie all- 
jährlich die bayerischen und württembergischen Truppen. 
26. August. (Preußen.) Die Regierung oktroyirt dem Her- 
zogtum Lauenburg eine Verordnung über die Vertretung des dor- 
tigen Kommunalverbandes, da die bisherige Ordnung mit dem 
1. Oktober gesetzlich abläuft. Die Verordnung ist wörtlich gleich- 
lautend mit dem in der letzten Session vom Herrenhause beschlosse- 
nen Gesetzesentwurf, der wahrscheinlich auch vom Abg.-Hause an- 
genommmen worden wäre, wenn es noch beschlußfähig gewesen wäre. 
— August. (Preußen.) Eine in den von Treitschke heraus- 
gegebenen „preuß. Jahrbüchern“ erschienene Arbeit des gew. badi- 
schen Staatsministers v. Jolly über den „Kirchenstreit in Preußen"“ 
macht ungewöhnliches Aufsehen. 
Von allgemeinstem Interesse ist der letzte Teil des Aufsatzes, welcher 
die positiven Ziele des Bündnisses der Deutschkonservativen mit dem Zentrum 
auf dem Gebiete der Kirche, der Schule und der Wissenschaft erörtert und 
den Nachweis führt, daß diese Ziele in schroffem Gegensatz zu den Aufgaben 
des christlich paritätischen Staates  stehen. „Unsere Staaten“, schreibt Jolly, 
„sind christlich und werden es notwendig immer bleiben, da unser Volk nach 
seiner geschichtlichen Entwicklung in allen seinen Anschauungen und seiner 
ganzen Gesittung christlich ist. Dagegen haben sich unsere Staaten über 
die Konfessionen erhoben und dürfen von dieser Höhe nicht wieder herab- 
steigen Das konservativ-klerikale Bündnis stellt diese Zumutung an den 
Staat, und wird es auch sein Endziel wegen der inneren Unmöglichkeit des- 
selben nicht erreichen, so ist doch sehr zu wünschen, daß dem Bund über- 
haupt keine Früchte entsprießen; sie würden dereinst nicht unter den Siegen 
Preußens und Deutschlands verzeichnet werden, und jeder Schritt vorwärts 
in der Richtung, welche die Verbündeten verfolgen, droht zu einem ver- 
hängnisvollen Rückschritt in der preußisch-deutschen Entwicklung zu werden.“ 
— August. (Elsaß-Lothringen.) Ein Zirkular der Straß- 
burger kaiserlichen Tabakmanufaktur offeriert den deutschen Händ- 
lern, ihnen ihre Produkte in Zukunft auch ohne die Etikette der 
 
	        
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