Da deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Anf. Sept.) 155
Fabrik zu liefern und sie so in den Stand zu setzen, dieselben auch
unter anderer Etikette verkaufen zu können. Der verzweifelte Schritt
der Manufaktur wird von der Presse einer geradezu vernichtenden
Kritik untergzogen, indem sie dadurch ihren zahlreichen Mißgriffen
die Krone aufgesetzt habe.
Anfang September. (Deutsches Reich.) In Frankfurt a. M.
werden die Einleitungen zur Gründung einer „deutschen Kolonial-
Gesellschaft“ getroffen und wird dazu vorerst ein provisorisches Comité
niedergesetzt.
Über die der neuen Gründung vorschwebenden Ziele wird berichtet:
es handle sich nicht um ein Unternehmen welches kapitalistische Zwecke ver-
folge oder damit irgend ein Kolonisationsprojekt in die Hand nehmen wolle,
sondern um die Gründung eines Vereins, der den verschiedenen deutschen
Niederlassungen in Südafrika, Südamerika etc. einen gemeinsamen morali-
schen Rückhalt gewähren und außerdem jede berechtigte Bestrebung zur Er-
richtung deutscher Kolonien mit seinem Einflusse unterstützen solle.
1. September. (Preußen.) Der preußische Gesandte beim
Vatikan v. Schlözer kehrt wieder nach Rom zurück.
1. September. (Preußen.) Ein Reskript des Ministers des
Innern an den Magistrat von Berlin teilt demselben mit, daß die
Auflösung der dortigen Stadtverordneten-Versammlung behufs Neu-
einteilung der städtischen Wahlkreise eine beschlossene Sache sei, nach-
dem der Kaiser die Einwendungen des Magistrats gegen die Maß-
regel als nicht begründet abgewiesen habe. Die Auflösung soll er-
folgen, sobald der Magistrat, der Forderung des Ministers ent-
sprechend, die neuen Wahlbezirke festgestellt haben wird. Der Ma-
gistrat beschließt (unter d. 19. d. M.) sich trotz seiner gegenteiligen
Rechtsüberzeugung und unter Wahrung seines Standpunktes dem
Willen der Regierung zu fügen.
Die Frage wird mit größerem Eifer behandelt, als sie eigentlich ver-
dient. Denn im Grunde sind alle dabei beteiligten Faktoren darüber ein-
verstanden, daß es unerläßlich sei, die Wahlkreise mit der Vevölkerungs-
ziffer in Einklang zu setzen. Nur über die Mittel und Wege gehen die
Ansichten auseinander. Der Magistrat hält weder die Anwendung des § 79
der Städte-Ordnung, welcher eine Auflösung der Stadtverordneten-Versamm-
lung von oberaufsichtswegen zuläßt, für anwendbar, da die Stadtverord-
netenversammlung zu einer solchen keine Veranlassung gegeben hat, noch
vindiziert er sich auf Grund der Städte-Ordnung das Recht, ohne Gesetz
eine vollständige Neubildung der Stadtverordneten-Versammlung vorzunehmen.
Es fragte sich jetzt, ob der Magistrat, trotz der gegenteiligen Erklärung des
Ministers des Innern, auf seiner Ansicht beharre, was zweifellos zu einem
schweren Konflikt mit der Regierung geführt hätte, oder ob er, unter Vor-
behalt seiner Rechtsauffassung die von dem Minister des Innern vertretene
Auslegung der Städte-Ordnung akzeptiere, wozu er sich entschließt.