Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

156 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 1 —5.) 
1. September. (Bayern.) In einem Landesverratsprozesse 
(wegen Auslieferung militärischer Aktenstücke, namentlich des deut- 
schen Mobilisierungsplans) werden die Angeklagten, ein gewisser 
Reeser, ein Abenteurer, der sich Baron de Graillet nennt und schon 
zweimal wegen Betrug bestraft erscheint, und Frhr. E. v. Kreittmayer 
verurteilt. Neeser erscheint nach dem Urteil zweifellos als ein Agent 
der französischen Regierung und stand in Verbindung mit der franzö- 
sischen Gesandtschaft in München und Berlin. 
2. September. (Deutsches Reich.) Die Feier des Sedan- 
tages findet im größten Teile des Reichs in der bisherigen Weise 
statt und die in einzelnen Kreisen zu Tage getretene Tendenz, die 
Feier mit Rücksicht auf die Gefühle der Franzosen zu beschränken 
oder ganz zu unterlassen, vermag doch nicht durchzuschlagen. 
2. September. (Preußen.) Bischof Herzog von Breslau 
sieht sich veranlaßt, in der Mischehenfrage eine kleine Konzession zu 
machen, indem er die mildere Praxis der katholischen Kirche gegen- 
über den strengeren Bestimmungen, des Tridentinums, wie sie in 
dem größten Teil seiner Diözese bisher gehandhabt wurde, auf die 
ganze Diözese ausdehnt. Von einer prinzipiellen Konzession ist frei- 
lich keine Rede. Dagegen verschwindet die Frage durch seinen Erlaß 
wenigstens momentan wieder von der politischen Bildfläche. 
3. September. (Baden.) Großes Eisenbahnunglück in Hug- 
stetten bei Freiburg. Eine Untersuchung wird eingeleitet. Schon 
jetzt aber wird die öffentliche Meinung darauf aufmerksam gemacht, 
daß die Tendenz der Volksvertretung in Baden und anderwärts, 
an den Betriebskosten der Eisenbahnen möglichst zu sparen und das 
Betriebspersonal zu diesem Ende hin möglichst zu reduzieren, an 
den in letzter Zeit sich häufenden Eisenbahnunfällen nicht ohne Mit- 
schuld sein dürfte. 
5—14. September. (Deutsches Reich.) Die Kaiser-Manöver 
des 5. und 6. deutschen Armeekorps in Schlesien fallen nicht nur 
überaus glänzend, sondern auch militärisch im höchsten Grade be- 
friedigend aus. Außer dem Kaiser, der sich den erforderlichen An- 
strengungen trotz seines hohen Alters noch vollkommen gewachsen 
zeigt, nehmen an denselben der Kronprinz, die Kronprinzessin und 
alle preußischen Prinzen teil, sowie außerdem der Großfürst und 
die Großfürstin Wladimir von Rußland und, auf besondere Ein- 
ladung hin, der Kronprinz Rudolf von Österreich-Ungarn.
	        
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