Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 18.) 169 
der tatsächlich gezahlten Einfuhrzölle nicht zu umgehen, und sie sind um 
so eher zulässig, je mehr die Vorbedingungen zur Produktion der betreffen- 
den Artikel im Inlande fehlen. Derartige Begünstigungen sind jedoch stets 
als Ausnahme zu betrachten, und bilden einen Grund mehr für die Auf- 
hebung der Eingangszölle , deren schädliche Wirkung auf die Export- Industrie 
sie ausgleichen sollen. Sie enthalten eine Begünstigung des Auslandes vor 
dem Inlande, sowohl hinsichtlich der Produktion als des Konsums, sind in 
ausgedehntem Umfange nur zu Gunsten des Großbetriebes und unter Ver- 
zicht auf Identitätsnachweis durchführbar, und ermöglichen Willkürlichkeiten 
der Zollbehörden gegenüber den  einzelnen Industriellen, sowie dem nicht 
streng rechtlichen Exporteur Mißbräuche, unter denen der streng rechtliche 
Konkurrent ebenso zu leiden hat wie die Zollkasse. 3) Die Konkurrenzfähig- 
keit der am Export interessierten Gewerbe und die Lebenserhaltung der in 
denselben beschäftigten Arbeiter werden um so mehr gefordert, je mehr Roh- 
stoffe, Halbfabrikate, Fabrikationsmaterialien und notwendige Lebensbedürf- 
nisse von der Verteuerung durch Eingangszölle befreit bleiben." 
18. September. (Preußen.) Die konservative Partei erläßt 
ihren Wahlaufruf. Derselbe ist ziemlich kurz und geht auf die ein- 
zelnen Fragen gar nicht ein, sondern begnügt sich mit einer kleinen 
Diatribe gegen den Liberalismus, „dessen Führung jetzt der Fort- 
schritt übernommen hat“. Einläßlicher spricht sich gleichzeitig der 
freikonservative Wahlaufruf aus: 
"...Die Ergebnisse der letzten Legislaturperiode für die Durch- 
führung der Steuerreform, welche unsere Partei seit Jahren gefordert 
hat, sind wenig befriedigende. Der endliche Abschluß dieses Reformwerkes 
erscheint als eine der dringendsten Aufgaben  der Gesetzgebung. Wir werden 
mit allem Ernst danach streben, sie im Sinne der Erleichterung der ärmeren 
 Volksklassen und der Kommunen zu lösen. Auch die Verwaltungsreform 
ist selbst für die Kreisordnungs-Provinzen nicht zum Abschluß gelangt. 
Wir werden uns der erneuten Prüfung der Frage der Vereinfachung der 
Organisation und des Verfahrens nicht entziehen, dabei aber unverrückt an 
den Grundsätzen der Dezentralisation. Selbstverwaltung und wirksamen Rechts- 
kontrolle, wie sie in der Kreisordnung niedergelegt sind, festhalten und die 
Ausdehnung der endgiltig festgestellten Verwaltungsgesetze auf die gesamte 
Monarchie zu fördern suchen. Die Verstaatlichung der Eisenbahnen, 
durch welche dieses wichtigste Verkehrsmittel unter unserer lebhaften Unter- 
stützung den öffentlichen Interessen wieder voll dienstbar gemacht ist, hat sich 
als eine finanziell und wirtschafllich ersprießliche Maßregel bewährt. Wir 
werden darüber wachen, daß die Verwaltung im Interesse der Förderung 
des heimischen Verkehrs und der Nationalwirtschaft geführt wird. Wir 
halten nach wie vor an dem Grundsatze fest, daß die Schule eine Ver- 
anstaltung des Staates ist. Der konfessionelle Charakter der Volksschule ist 
von uns stets betont worden. Eine Abweichung von dieser verfassungs- 
mäßigen Regel erscheint nur da zulässig, wo besondere Umstände eine aus- 
nahmsweise Behandlung rechtfertigen. Die Wiederherstellung des kirch- 
lichen Friedens bleibt eine der wichtigsten Aufgaben der gesetzgebenden 
Faktoren. Wir sind bereit, mit Wohlwollen und Gewissenhaftigkeit alle zu 
diesem Ziele führenden Wege zu prüfen, halten aber an der Überzeugung 
fest, daß in einer konfessionell gemischten Bevölkerung, wie der deutschen, 
nur die Aufrechterhaltung starker staatlicher Rechte das friedliche Neben- 
einanderwohnen der Konfessionen zu verbürgen vermag. Das Anwachsen 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.