Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 23—24.) 173 
Manufaktur, sondern die unter dem Regime von Mayr-Roller eingeführte 
neue Buchführung auf der Anklagebank gesessen. Die zahlreichen Sachver- 
ständigen, welche zur Vernehmung kamen, stimmen in dem Urteil überein, 
daß diese Buchführung eine überaus mangelhafte gewesen ist, daß sie sich, 
wie einer der Sachverständigen erklärte, „in einer geradezu tadelnswerten 
Unordnung befunden hat.“ Worin eigentlich das Wesen dieser neuen Buch- 
führung bestanden, welche Tendenz sie verfolgt hat, ist nicht recht klar. Viel- 
leicht gibt die Bemerkung eines Zeugen, daß mit dem Eintritt des neuen 
Regime's die kaufmännische Buchführung „über den Haufen geworfen“ und 
eine „staatsmännische“ Buchführung eingeführt worden sei, einen Fingerzeig. 
Jedenfalls sind es wahrhaft haarsträubende Dinge, welche die Sachverständigen 
im einzelnen über den Zustand der Bücher dieser Manufaktur zu berichten 
wußten. Und nun bedenke man, daß auf Grund dieser Buchführung die 
Rentabilität eines deutschen Tabakmonopols dargetan werden sollte! Alle 
Einwendungen, die man gegen die Aufstellungen des Regierungsentwurfes 
erhob, wurden von Hrn. v. Mayr mit einem Hinweis auf die Ergebnisse 
der Straßburger Manufaktur abgetan. Und als die Kommission des Reichs- 
tags für den Monopolentwurf die Vorlegung der Bücher der Manufaktur 
verlangte, da spielte man den Gekränkten, schalt über faktiöse Opposition, 
über einseitige Vertretung von Shopkeeper-Interessen u. s. w." 
23. September. (Preußen.) Die „Nordd. Allg. Ztg." wendet 
sich sehr lebhaft gegen die hochkonservative Presse, welche wiederholt 
erklärt hat, daß die Konservativen keine Regierungspartei seien und 
unabhängig von der Regierung und ihrer Politik ihr eigenes Pro- 
gramm ohne die Regierung und neben derselben durchzuführen ent- 
schlossen sei. 
24. September. (Deutsches Reich.) Die großen Herbst- 
manöver, auch die im Gebiete der Ost- und Nordseeküsten, sind jetzt 
beendigt. 
Wer sämtliche Manöver der verschiedenen Divisionen an den deutschen 
Ost- und Nordseeküsten mit Aufmerksamkeit verfolgte, dem konnte nicht ent- 
gehen, daß fehr häufig bei ihnen die Generalidee zu Grunde lag, ein an 
den Küsten der Ost- und Nordsee gelandetes feindliches Korps an dem Weiter- 
marsch in das Innere von Deutschland zu verhindern und es wieder zurück- 
zuwerfen In Ostpreußen, Pommern, Mecklenburg, Schleswig-Holstein und 
Hannover verfolgten alle diese Manövern fast ausnahmslos den gleichen Zweck. 
Auch bei den großen Kaisermanövern des V. und VI. Armeekorps in Schlesien 
war die Generalidee vorherrschend, daß eine über die Weichsel vordringende 
feindliche Armee wieder zurückgeworfen werden solle. Früher richteten alle 
deutschen  Friedensmanöver die Front stets fast ausschließlich gegen die deutsche 
Westgrenze, sei einigen Jahren wird aber in ganz Norddeutschland die 
Front gegen die Ostgrenze eben so scharf berücksichtigt. 
24. September. (Deutsches Reich.) Generalversammlung 
der deutschen Volkspartei in Karlsruhe. Es haben sich dazu zirka 
120 Teilnehmer eingefunden. Die Versammlung beschließt eine 
Reihe von Resolutionen und bestimmt zum Vorort wieder Frank- 
furt, wo auch der engere Ausschuß seinen Sitz haben soll. Zum 
nächsten Ort der Generalversammlung wird Bamberg gewählt.
	        
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