Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

181 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Okt. 16—19.) 
lung immer weiterer Kreise, und zwar nicht nur pädagogischer, auf sich. 
So hat u. a. der Niederrheinische Verein für öffentliche Gesundheitspflege 
in seiner in Dortmund stattfindenden Generalversammlung als hauptsäch- 
liches Thema auf seine Tagesordnung die „Gesundheitspflege. in der Schule“ 
unter Beleuchtung jener Reformvorschläge gesetzt, die zuerst in der Broschüre 
des Amtsrichters Hartwich zu Düsseldorf, „Woran wir leiden“, ihren tref- 
fenden  Ausdruck fanden. Es war in der Tat ein glücklicher  Gedanke des 
für die Reform der Jugenderziehung so mutig eintretenden Verfassers dieser 
Streitschrift, mit ebenso viel Klarheit wie Energie die Einsetzung einer rein 
medizinischen Sachverständigen-Kommission zu verlangen behufs Untersuchung 
der Frage, „wie viel Stunden geistiger Arbeit die Schule den verschiedenen 
Altersklassen täglich zumuten dürfe und wie viele für die Entwicklung. des 
Körpers und der Erhaltung der Gesundheit unbedingt frei zu lassen seien“. 
Die Schulverwaltung Elsaß-Lothringens hat das große Verdienst, diesem 
Gedanken für die Reichslande sofort praktische Anwendung gegeben zu haben. 
Die „Überbürdung" der Schüler am Gymnasien etc. bleibt vorerst in der 
Presse auf der Tagesordnung und wird demnächst in mehreren Staaten der 
Gegenstand offizieller Prüfung. Dabei wird die Frage der körperlichen Aus- 
bildung der Jugend neben der geistigen vorderhand nur gestreift aber doch 
angeregt. Hie und da macht sich jedoch schon jetzt die Anschauung geltend, daß 
die körperliche Ausbildung der Jugend an allen öffentlichen Schulen der 
geistigen geradezu die Wage halten sollte, um die „Wehrbarkeit und geistige 
Frische der Nation“ zu erhalten und zu fördern. Die zünftigen Pädagogen 
sind freilich noch weit von diesem Standpunkt entfernt. 
16. Oktober. (Deutsches Reich.) Wiederzusammentritt des 
Bundesrates. Derselbe nimmt sofort das Budget in Beratung und 
zwar nach dem Antrage des Bundeskanzlers dasjenige für 1883/84 
und zugleich auch das für 1884/ 85, um die Möglichkeit zweijähriger 
Etats auf diese Weise praktisch zu erweisen, und beschließt außerdem 
die Vornahme einer Viehzählung für das ganze Reich. 
16. Oktober. (Preußen.) Der Kultminister v. Goßler 
ordnet, dem Begehren einer kleinen ultram. Minderheit entsprechend, 
die Umwandlung der bestehenden Simultanschulen in der paritäti- 
schen Stadt Krefeld in Konfessionsschulen an. Die durch die tat- 
sächlichen Verhältnisse kaum gerechtfertigte Maßregel macht in Kre- 
feld böses Blut und wird von der liberalen Presse scharf getadelt. 
17. Oktober. (Preußen.) Die kirchlichen Gemeindewahlen 
fallen in Berlin diesmal wesentlich konservativer aus als in den 
letzten Jahren. 
19. Oktober. (Preußen.) Urwahlen für die allgemeinen 
Neuwahlen zum Abg.-Hause. Die Sozialdemokraten enthalten sich 
der Teilnahme. Das Resultat stellt der Fortschrittspartei, nament- 
lich dem linken Flügel derselben (Partei Richter), namhafte Ein- 
bußen, den Konservativen dagegen eine erhebliche Verstärkung in 
Aussicht. Die Organe der letzteren triumphieren. Jedenfalls sind
	        
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